Stellungnahme des StGB zum Stadtumbau vom April 2001

Die Zukunft der Brandenburger Städte und Gemeinden sichern!

von Waldemar Kleinschmidt, Präsident des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg (bis 27.05.2002)*

Die Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung unterliegt im Land Brandenburg entgegengesetzten Trends. Während im berlinnahen Verflechtungsraum eine deutliche Zunahme der Haushalte und der Bevölkerung bewältigt werden muß, sind gerade in den zentralen Orten des äußeren Entwicklungsraumes z.T. erhebliche Bevölkerungsrückgänge zu beklagen. Einerseits sind von den Städten und Gemeinden Wachstumsprozesse zu steuern und andererseits die negativen Auswirkungen zum Teil drastischer Schrumpfungen einzudämmen.

Massive Einwohnerverluste stellen für viele Städte und Gemeinden eine völlig neue Herausforderung dar: Es vermindert sich nicht nur die Steuerkraft. Die Einrichtungen der sozialen und technischen Infrastruktur sind nicht mehr ausgelastet. Ganze Stadtteile drohen funktionslos zu werden. Die Städte und Gemeinden haben diese Entwicklung nicht nur erkannt. Sie tragen die Notwendigkeit des Stadtumbaus auch aktiv in die Bürgerschaft und treiben den Prozeß - trotz aller Schwierigkeiten - voran. Das Umdenken der Landes- und Bundespolitik ist maßgeblich aus der Brandenburger Kommunalpolitik angestoßen worden.

Stadtumbau muß fachübergreifend erfolgen. Derartige Stadtentwicklungsplanungen müssen federführend von der Stadt oder Gemeinde erarbeitet und von der Vertretungskörperschaft beschlossen werden. In die Erarbeitung sind auch die örtlichen Wohnungsunternehmen als wichtige Eigentümer und diejenigen, die von einer Umsetzung zentral betroffen sein werden, einzubeziehen. Um Akzeptanz für durchgreifende Veränderungen der Städte und Gemeinden zu erreichen, ist es notwendig, auch andere Akteure und die Bürgerschaft zu beteiligen. Wegen der bestehenden Verflechtungen und zum Teil auch interkommunalen Konkurrenzen sind die angrenzenden Städte und Gemeinden in die Erstellung von Prognosen wie auch den daraus abgeleiteten Maßnahmen mit dem Ziel einer Abstimmung einzubeziehen. Das Land hat von den Städten und Gemeinden entwickelte Leitbilder und Konzepte als Entscheidungen von Selbstverwaltungskörperschaften zu respektieren.

Rückbau muß mit einer qualitativen Aufwertung der Städte und Gemeinden einhergehen, um sie für ihre Bürgerinnen und Bürger als Lebensmittelpunkt attraktiv zu erhalten.

Daneben bleibt es notwendig, die Eigentumsbildung in der Bürgerschaft zu unterstützen. Dies ist ein nicht nur wohnungspolitisches, sondern auch wirtschaftliches und stadtentwicklungspolitisches Überlebenserfordernis der Städte und Gemeinden. Damit wird auch ein Beitrag geleistet, Bürgersinn und die Mitverantwortung für die Stadt- oder Gemeindeentwicklung zu wecken. Städte und Gemeinden sollten unterschiedliche Angebote für Eigentumsbildung bereithalten. Einerseits muß dem weiterhin anhaltenden Bedarf nach Grundstücken für den Bau von Eigenheimen nachgekommen werden. In zentralen Orten sollte die Ausweisung von attraktivem Bauland (z.B. durch Ziele der Raumordnung, Bodendenkmalschutz) nicht behindert und eine Bereitstellung zu marktgerechten Preisen unterstützt werden. Andernfalls wird einer weiteren Abwanderung der Bevölkerung zum Nachteil der zentralen Orte in das Umland Vorschub geleistet. Für eine sachgerechte Bevölkerungsverteilung Sorge zu tragen, bleibt eine zentrale Aufgabe der Raumordnung im Land Brandenburg.

Zugleich muß versucht werden, die Nachfrage nach Eigentumsbildung verstärkt in die vorhandenen, zu entwickelnden Wohnungsbestände - insbesondere der zentralen Orte - zu lenken. Dazu sollten von den Eigentümern umfangreicher Wohnungsbestände weiterhin geeignete Objekte zur Verfügung gestellt werden. Die Wertschätzung der Bevölkerung für die Vorzüge des Wohnens in einem Stadtzentrum mit seiner dichten Infrastruktur und anderen Angeboten muß im Wettbewerb mit konkurrierenden Angeboten in der Peripherie aktiv auch von den jeweiligen Städten und Gemeinde geweckt werden.

Städte und Gemeinden wären auf sich allein gestellt überfordert, diese gravierenden strukturellen Herausforderungen zu schultern. Mit dem neuen Programm „Stadtumbau Ost - für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen“ sind Bund und Länder den seit langem vom Städte- und Gemeindebund Brandenburg vorgetragenen Wünschen nach einem Sonderprogramm zur Förderung des Rückbaus leerstehender Wohnungen, der Aufwertung von Stadtquartieren und der Wohneigentumsbildung in innerstädtischen Altbauquartieren nachgekommen. Das Programm ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Die Umsetzung der mittlerweile nur noch schwer überschaubaren Zahl unterschiedlichster Förderprogramme muß deutlich vereinfacht werden. Den Städten und Gemeinden müssen mehr eigene Entscheidungsspielräume zuerkannt werden. Wohnungsbau- und Städtebauförderung müssen weiter verschränkt werden. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat sich insoweit auch für eine Zusammenführung beider Abteilungen im Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr ausgesprochen.

Die Instrumente der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik allein reichen nicht aus, die Zukunft der Städte und Gemeinden zu sichern. Die Politik des Landes muß hierfür insgesamt verläßliche Rahmenbedingungen schaffen:

Vor allem anderen muß noch immer eine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Städte und Gemeinden angemahnt werden. Ein Land kann nur so stark und attraktiv sein, wie seine Städte und Gemeinden, so hatte es Ministerpräsident Stolpe bereits anläßlich des Deutschen Gemeindekongresses 1995 in Cottbus formuliert. Wenn Straßen und Plätze saniert, Häuser in neuem Glanz erstrahlen, aber auch wenn Schulen oder Kindertagesstätten aus Finanznot geschlossen oder kommunale Wohnungen zum Haushaltsausgleich veräußert werden müssen, nehmen die Bürgerinnen und Bürger nicht nur ihre Gemeinde, sondern auch ihr Land unmittelbar wahr. Städte und Gemeinden brauchen eine ihren pflichtigen - aber auch freiwilligen - Aufgaben angemessene Finanzausstattung. Dies nicht nur um die Städte und Gemeinden in die Lage zu versetzten, Fördermittelangebote zu komplettieren. Vielmehr bestimmt die Finanzausstattung auch den Rahmen unserer Stadtentwicklungspolitik. Städte und Gemeinden müssen wieder in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich Konzepte zu entwickeln und umzusetzen.

Daneben muß die Stärkung der Wirtschaftskraft und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit das vordringlich gemeinsame Ziel aller bleiben. Eine gesunde Wirtschaft ist die wichtigste Voraussetzung der Entwicklung unserer Städte und Gemeinden und damit des Landes.

Städte und Gemeinden sind weiterhin auf eine gute infrastrukturelle Anbindung angewiesen. Leistungsfähige Straßen- und Schienenanbindungen sowie die Versorgung mit modernen Telekommunikationsmitteln bleiben Voraussetzung für attraktive Wohnstandorte sowie die Sicherung vorhandener und Ansiedlung neuer Unternehmen.

Städte und Gemeinden müssen sich aber auch auf ihre eigenen Stärken besinnen. Kommunale Selbstverwaltung meint auch, Entscheidungskompetenzen auf die unterste Ebene zu übertragen und damit Eigeninitiative und Gemeinsinn ihrer Bürgerinnen und Bürger zu wecken. Viele Entscheidungen sind in den Städten und Gemeinden sachgerechter zu treffen, als in entfernten Landes- oder Kreisbehörden. Dies muß einerseits vom Land anerkannt und andererseits von den Städten und Gemeinden mit Leben erfüllt werden.

Brandenburgische Städte sind im bundesdeutschen Vergleich eher klein. Nur 25 Städte zählen mehr als 20.000 Einwohner. Ein überschaubares Gemeinwesen - vielfach auch unsere intakten Stadt- und Landschaftsbilder - vermittelt den Menschen eine besondere Art von Lebensqualität. Gerade im Gegensatz zur Metropole Berlin müssen wir die kurzen Entscheidungsstränge in unseren Städten und Gemeinden sowie die Überschaubarkeit des Gemeinwesens als Stärke begreifen. Es lohnt sich damit zu werben.

Wie sich ein Land nur durch seine Städte und Gemeinden entwickeln kann, wird die Stadtentwicklung letztlich von ihren Bürgern getragen. Ihre Initiative gilt es zu wecken und zu fördern. Die Zukunft unserer Städte und Gemeinden kann nur gemeinsam mit ihren Bürgern gesichert werden.

* Veröffentlicht als Gastbeitrag für die Zeitschrift MSWV aktuell 04/2001, S. 5 ff.

Az: 611-05