Mitteilungen 02/2017, Seite 76, Nr. 32

Novelle der Konzessionsvergabe im Strom- und Gasbereich in Kraft getreten

Die Neuregelung der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen ist am 2. Februar im Bundesgesetzblatt verkündet worden und damit am 3. Februar 2017 in Kraft getreten. Die Reform bringt in einigen Punkten wesentliche Verbesserungen für die konzessionsvergebenden Gemeinden, in einem wichtigen Punkt voraussichtlich aber auch neue Rechtsunsicherheiten.

Zu den Verbesserungen zählt die Konkretisierung des Auskunftsanspruchs der Gemeinde gegenüber dem Inhaber des Wegenutzungsrechts im Hinblick auf relevante Netzdaten. Mängel im Vergabeverfahren müssen in Zukunft innerhalb bestimmter Fristen vorgebracht werden. Bei der Übereignung der Netze „gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ soll regelmäßig der Grundsatz des objektivierten Ertragswertes gelten. Schließlich ist die Zahlung der Konzessionsabgabe auch über die bisherige Jahresfrist nach Auslaufen des Vertrages hinaus grundsätzlich möglich.

Neue Rechtsunsicherheiten bringt voraussichtlich die Formulierung, wonach auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft unter der Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, berücksichtigt werden können (§ 46 Abs. 4 EnWG).

Zwar ist positiv, dass damit der Gesetzgeber anerkennt, dass die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bei der Konzessionsvergabe eine Rolle spielen können. Hierzu zählen etwa Laufzeit und Modelle, die bessere Koordinierung von Baumaßnahmen mit weiteren Sparten (z.B. Wasserleitungen) sowie die Zahlung der höchstmöglichen Konzessionsabgabe nach der Konzessionsabgabenverordnung. Zudem sieht § 46 Abs. 4 Satz 3 EnWG vor, dass die Gemeinde bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien berechtigt ist, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen.

Allerdings ist ungeklärt, ob mit der Formulierung in § 46 Abs. 4 EnWG „unter der Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz“ eine über die bisherige Rechtsprechung hinausgehende Priorisierung dieser Kriterien vorgesehen ist und wie insbesondere das neue Kriterium der netzwirtschaftlichen Kosteneffizienz im Rahmen der Ziele des § 1 EnWG einzuordnen ist.

Im Ergebnis ist zu befürchten, dass das in der Gesetzesbegründung formulierte Ziel, der Gemeinde einen weiten Ermessensspielraum bei der Konkretisierung und Gewichtung der einzelnen Ziele des § 1 zu überlassen, vorerst nicht erreicht wird.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat sich im Rahmen der Reform stets dafür eingesetzt, die Stellung der Gemeinden bei der Konzessionsvergabe entsprechend des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Hierzu gehört vor allem ein Konzessionsvergabeverfahren, das für alle Gemeinden, unabhängig von ihrer Verwaltungskraft und Größe, handhabbarer wird. Hierfür wird sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund bei künftigen Reformdebatten stets einsetzen.

Für den Städte- und Gemeindebund Brandenburg nahm der Unterzeichner auf Einladung der Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag an der öffentlichen Anhörung am 1. Juni 2016 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten teil. Gegenüber dem Ausschuss war zuvor eine schriftliche Stellungnahme abgegeben worden, die wir nachfolgend abdrucken:

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich mich für die Möglichkeit bedanken, zu dem Gesetzesentwurf zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung Stellung nehmen zu dürfen.

Als kommunaler Spitzenverband der Städte, Gemeinden und Ämter im Land Brandenburg vertreten wir die Belange unserer Mitglieder, die im Flächenland Brandenburg nicht unwesentlich von den Interessen vieler kleinerer und mittlerer Gemeinden geprägt sind.

Als ehrenamtlicher Geschäftsführer vertrete ich zudem die Gesellschaft kommunaler E.DIS-Aktionäre mbH, in der insgesamt 161 Städte und Gemeinden aus dem Land Brandenburg organisiert sind, die an der E.DIS AG als kommunal geprägter Netzbetreiber für Strom- und Gasnetze beteiligt sind und die sich in den Konzessionierungsverfahren der letzten Jahre bewusst für die E.DIS AG als Flächennetzbetreiber entschieden haben.
Darüber hinaus bin ich als Mitglied des Aufsichtsrates der KBE Kommunale Beteiligungsgesellschaft mbH an der enviaM auch in die Unternehmenspolitik eines weiteren Regionalversorgungsunternehmens mit mehr als 40 % kommunaler Beteiligung involviert.

Diese heute noch bestehenden kommunalen Anteile an den ostdeutschen Regionalversogern sind auf das Kommunalvermögensgesetz von 1990 sowie auf intensive Bemühungen der kommunalen Spitzenverbände in den neuen Bundesländern zurückzuführen. Auf Initiative der ostdeutschen kommunalen Spitzenverbände der Städte und Gemeinden wurden in den 1990-er Jahren kommunale Gesellschaften beziehungsweise Zweckverbände gegründet, denen das überwiegende Kontingent der kommunalen Anteile zunächst treuhänderisch übertragen wurde.
In mehrjährigen, überaus zähen Verhandlungen zwischen den ostdeutschen Städte- und Gemeindebünden und ihren Bundesverbänden auf der einen sowie der Treuhandanstalt auf der anderen Seite konnten Vertragswerke ausgehandelt werden, die die Vermögensansprüche und Interessen der Städte und Gemeinden dauerhaft sicherten. Auf dieser Grundlage gelang es, die heute noch existierenden kommunalen Anteilseignerverbände bzw. -gesellschaften ins Leben zu rufen und damit eine starke und gebündelte Interessenvertretung in den Regionalversorgungsunternehmen im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Die Beteiligungen der Städte und Gemeinden an den Regionalversorgern betragen mittlerweile zwischen 34 und 75 %.

Dies vorangestellt möchte ich zum Thema der Anhörung Folgendes ausführen:

Die Novelle geht zurück auf den Koalitionsvertrag und wird damit begründet, mehr Rechts¬sicherheit bei der Konzessionierung von Strom- und Gasnetzen schaffen zu wollen. Allerdings befürchte ich, dass durch die Entwurfsregelungen überwiegend Voraussetzungen für eine (Re-) Kommu¬nalisierung der Netze oder eine Vergabe an Drittunternehmen gefördert werden und die Rechtsunsicherheit zunehmen wird.

Die Flächennetzbetreiber praktizieren das Solidarprinzip, welches struk¬turell bevorteilte und benachteiligte Regionen gleichermaßen durch einheitliche Netzentgelte und damit Energiepreise im Netzgebiet behandelt. Dies halten wir für außerordentlich wichtig.

Auf Grund der Tatsache, dass 90 Prozent der Energiewendeaktivitäten und -investitionen in ländlich geprägten Regionen stattfinden, werden dort die struk¬turellen Nachteile noch verstärkt, wenn weitere attraktive Gebiete herausgebrochen werden, da dies zu weiter steigenden Netzentgelten führt. Bereits heute sind Netzentgelte in ländlich geprägten Regionen teilweise um das Dreifache höher als in Städten.

Der Gesetzentwurf zur Novellierung des § 46 des EnWG kann dieses Ungleichgewicht weiter verschärfen, indem neben den Kriterien des § 1 EnWG (Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Preisgünstigkeit) aus unserer Sicht auch unbestimmte und beliebige Belange der örtlichen Gemeinschaft für die Auswahl des neuen Netzbetreibers und Konzessio¬närs herangezogen werden können. Auch die Festlegung zur Kaufpreis¬bestimmung für zu übertragende Netze erachten wir als problematisch, steht doch damit nicht die Auswahl des wirtschaftlich effizientesten Netzbetreibers im Vordergrund.

Um dem zu begegnen, möchten wir Sie bitten, auch die kommunalen Interessen der ländlich geprägten Regionen, die die höchsten Belastungen der Energiewende tragen, im weiteren Gesetzgebungs¬verfahren zu berücksichtigen.

Wir schlagen daher vor,

- dass an Stelle des „objektivierten Ertragswertes“ das „Ertragswertverfahren“ Anwendung findet. Eine Netzkauf¬preisermittlung anhand objektiver und transparenter Kriterien muss so weiterhin möglich sein.

- die Berücksichtigung von „Belangen der örtlichen Gemeinschaft“ exakt zu definieren und  qualitativ und quantitativ gegenüber den Zielen gem. § 1 EnWG zu begrenzen bzw. darauf abzustellen.

Wir möchten nachfolgend inhaltlich auf die geplanten Gesetzesänderungen eingehen:

Der Gesetzesentwurf enthält ein klares Votum gegen die lnhouse-Vergabe von Konzessionen. Das ist zu begrüßen. Die immer wieder aufflammenden Forderungen der Inhouse-Vergabe stünden gerade einer flächendeckenden ausgewogenen Energieversorgung entgegen und würden gerade ländlich geprägte Regionen weiter benachteiligen. Aber gerade diese haben die Hauptlast der Energiewende zu tragen.

Positiv ist auch, dass weiterhin insbesondere die Kriterien des § 1 EnWG Absatz 1 – Versor¬gungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Preisgünstigkeit – bei der Auswahl des Konzessionärs herangezogen werden sollen.

Andere Änderungsvorschläge sind jedoch dazu angetan, als bevorzugtes Ergebnis eine, wie auch immer geartete Kommunalisierung oder Entscheidung für Drittunternehmen und somit die Endsolidarisierung zu fördern: So wird gleichrangig neben den Zielen nach § 1 EnWG auch die Berücksichtigung von „Belangen der örtlichen Gemeinschaft“ zugelassen. Dieser Begriff wird weder spezifiziert noch gegenüber Versorgungs-sicherheit, Umweltverträglichkeit und Preis gewichtet. Die Kommunen erhalten also größere Spielräume für eine Besserstellung anderer Unternehmen, sowohl eigener als auch Dritter. Es ist davon auszugehen, dass diese unklaren Spielräume neue Rechtsstreitigkeiten geradezu herausfordern. Damit ich nicht falsch verstanden werde, selbstverständlich vertreten wir immer die Belange der kommunalen Selbstverwaltung, dies aber ausgewogen im Sinne der Gesamtheit der kommunalen Familie und nach klaren, transparenten Spielregeln.

Ferner birgt die gesetzliche Regelung die Gefahr der weiteren Zersplitterung der Netze von Flächennetzbetreibern. Das durch die neuen Regelungen angeregte "Rosinenpicken" durch Abtrennung städtischer Ballungsräume wird insbesondere die ländlichen Regionen in Deutschland weiter schwächen.

Die ostdeutschen Verteilnetzbetreiber, und nicht nur diese, sind seit vielen Jahren unsere Partner für zahlreiche Städte und Gemeinden und auch Stadtwerke(!) und sorgen für eine zuverlässige und wirtschaft-liche Energieversorgung (allein die Regionalversorger E.DIS und enviaM sind Kooperationspartner und beteiligt von/an über 50 Stadtwerken).

Unsere Einschätzung lautet wie folgt:

• Die Begründung der Gesetzesinitiative, mehr Rechtssicherheit schaffen zu wollen, wird aus unserer Sicht nicht erfüllt. Zum einen sind wesent¬liche bisherige Streitpunkte mittlerweile höchstrichterlich geklärt, die Rechtsunsicherheit also durch die Rechtsprechung weitestgehend besei¬tigt. Des Weiteren schafft der Gesetzentwurf neue Rechtsunsicherheiten durch die Hinzufügung neuer unbestimmter, auslegbarer Begriffe wie „Belange der örtlichen Gemeinschaft“ oder „objektivierter Ertragswert“.

• Die netzwirtschaftlichen Ziele treten durch eine, in der Gewichtung unbeschränkte Berücksichtigung der örtlichen Belange bei der Aus¬wahlentscheidung zwangsläufig in den Hintergrund. Damit ist nicht gewährleistet, dass der beste Netzbetreiber den Zuschlag für die örtliche Versorgung erhält.

• Die Auswahlkriterien für die Konzessionsvergabeentscheidung dürfen nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs und nicht zu einer Privilegierung kommunaler Eigengesellschaften bzw. Eigenbe¬triebe oder Drittunternehmen führen. Dass Kommunen bei der Auswahlentscheidung im Kon-zessionsverfahren Belange der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigen dürfen sollen, ist dem Grunde zu begrüßen. Zu fordern ist hier eine Eingrenzung auf netzwirtschaftliche Ziele. Nicht zielführend ist eine gesetzliche Regelung, wonach auch fiskalische Interessen einer Gemeinde im weiteren Sinne als Auswahlkriterium für die Konzes¬sionsentscheidung zu Grunde gelegt werden dürfen. Dies würde den Zielen des Energiewirtschaftsgesetzes und dem Nebenleistungsverbot in der Konzessionsabgabenverordnung zuwider laufen.

• Der BGH hat seit seiner Entscheidung „Kaufering“ der Kommune rich¬tigerweise eine Auswahl unter den besten Netzbetreibern ermöglichen wollen. Der objektivierte Ertragswert wurde deshalb gerade nicht als Maßstab einer Kaufpreiskontrolle angesetzt. Die BGH-Grundsatzent¬scheidung findet sich in der heutigen Praxis wieder. Rechtsunsicherheit besteht bei der Kaufpreisermittlung daher momentan nicht. Die gesetz¬liche Einführung des „objektivierten Ertragswertes“ (ein unbestimmter Rechtsbegriff) stellt die Rechtsprechung vor neue Herausforderungen. Rechtsstreitigkeiten sind die Folge.

• Die Energiewende braucht leistungsfähige Verteilnetzbetreiber. Sie stehen vor der großen Herausforderung, insbesondere in den ländlichen Regionen intelligente Netze zu entwickeln, weiter auszubauen und zu betreiben. Eine Zer¬splitterung der Netze durch Abtrennung der städtischen Ballungsräume erhöht die Netzentgelte in weniger dicht besiedelten Gebieten und schwächt deren Wirtschaftskraft und schafft weitere Standortnachteile.

• Die geplanten Gemeindestrukturreformen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen werden bei einer Umsetzung noch größere Gemeindestrukturen zum Ergebnis haben, die dann auch die Gebiete von Stadtwerkskommunen erweitern werden, was wiederum sehr wahrscheinlich zum Herausbrechen der eingemeindeten Gebiete aus dem Konzessionsgebiet der Regionalversorger führen wird.

Wir bitten Sie daher, die Interessen von Städte und Gemeinden, besonders in Flächenländern, im Gesetzgebungsverfahren zu wahren, um diese nicht weiter von strukturell stärkeren Regionen abzukoppeln.

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Ludwig Böttcher“

Az: 805-01

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