Mitteilungen 01-02/2013, Seite 32, Nr. 22

Bundesvereinigung und VKU nehmen zur EU-Richtlinie zur Konzessionsvergabe Stellung

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat gemeinsam mit dem VKU am 9. Januar 2013 gegenüber den deutschsprachigen Mitgliedern der mit der Novelle des EU-Vergaberechts befassten Ausschüsse des Europäischen Parlaments zur Richtlinie zur Konzessionsvergabe Stellung genommen.

Hintergrund:

Am 24. Januar 2013 hat der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz über die Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe abgestimmt.

Wie Sie dem nachfolgend aufgeführten Stellungnahmeschreiben entnehmen können, haben die kommunalen Verbände unterstrichen, dass sie eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe grundsätzlich ablehnen. Sollte es gleichwohl zu einer legislativen Regelung kommen, verlangen die kommunalen Spitzenverbände zumindest die Wasserver- und Abwasserentsorgung und die Rettungsdienste (Notfallrettung) aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen.

"Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

am 24. Januar 2013 wird der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz über die Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe abstimmen.

In den vergangenen Monaten hatten wir vielfältig die Gelegenheit, das Für und Wider dieser Richtlinie und etwaiger Inhalte mit Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren und zu erörtern. Insbesondere in den Gesprächen zu konkreten Änderungsanträgen und Kompromissen seitens des Europäischen Parlamentes ist allerdings noch einmal deutlich geworden, dass es unmöglich ist, bei einem derart komplexen Thema wie bei den Dienstleistungskonzessionen, Lösungen zu finden, die den Eigenarten der Vielzahl von EU Mitgliedstaaten genügend Rechnung tragen. Auch ist die Erreichung des Ziels, kleine und mittlere Unternehmen mittels eines Vorschlags zu den Dienstleistungskonzessionen in die Erstellung kommunaler Dienstleistungen zu integrieren, höchst fraglich. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass große Weltmarktführer von der Öffnung der Märkte profitieren. In den vielen Gesprächen, für die wir noch einmal ausdrücklich danken, hat sich für uns letztendlich der Eindruck ergeben, dass eine Mehrheit im EU-Parlament den Mehrwert der Richtlinie nach wie vor bezweifelt.

Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unternehmen lehnen die Richtlinie weiterhin ab und bitten auch die zuständigen Mitglieder im IMCO-Ausschuss sich für eine Ablehnung auszusprechen bzw. zumindest die Wasserver- und -Abwasserentsorgung und die Rettungsdienste (Notfallrettung) aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. Daneben bitten die Verbände um die Streichung der über die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinausgehenden und zu einschränkenden Kriterien für die vergabefreie vertragliche interkommunale Zusammenarbeit (sogenannte horizontale Zusammenarbeit).

Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung

Wir erlauben uns nachfolgend, unsere Bedenken noch einmal zusammen zu fassen: Die Wahlfreiheit der Kommunen, eine Leistung selber zu erbringen oder aber an Dritte zu vergeben, würde mit der Verabschiedung des Richtlinienvorschlags erheblich eingeschränkt. Daran würde auch der vom Berichterstatter Juvin neu eingebrachte Artikel 1 zum Grundsatz der Entscheidungsfreiheit der öffentlichen Stellen nichts ändern.

Stadtwerke in Deutschland könnten die Bedingungen für die Ausnahmeregelung für verbundene Unternehmen in Art. 11 des Richtlinienentwurfs nicht erfüllen. Ein Stadtwerk erzielt grundsätzlich nicht mindestens 80% seines Umsatzes mit Dienstleistungen, die es für seine Eignerkommune, von der es die Wasserkonzession erhält, erbringt (Art.11 Abs. 4 Buchst. a).

Der Prozentsatz liegt in aller Regel deutlich unter 20 %. Das liegt daran, dass Stadtwerke in Deutschland traditionell als Mehrspartenunternehmen aufgebaut sind. Neben der Trinkwasserversorgung zählt vor allem auch die Energieversorgung zu den von ihnen erbrachten Dienstleistungen. Dabei übertrifft der Umsatz, der mit der Energieversorgung erzielt wird, den Umsatz bei der Wasserversorgung um ein Mehrfaches. Die Energieversorgung ist aber keine Dienstleistung, die ein Stadtwerk im Sinne des Art. 11 für seine Eignerkommune erbringt.

Da die Energieversorgung liberalisiert wurde und der Kunde sich seinen Versorger in Folge dessen frei wählen kann, erbringt das Stadtwerk diese Dienstleistung nicht mehr für die Bürger seiner Eignerkommune, sondern für die Kunden, die es als seinen Versorger wählen (so mittlerweile die Argumentation mehrerer deutscher Oberlandesgerichte).

Aus denselben Gründen könnten die Stadtwerke aber auch nicht vom sog. In-house-Privileg des Art. 15 des Richtlinienentwurfs profitieren. Das „Wesentlichkeitskriterium“ in Abs. 1 Buchst. b wäre für sie ebenfalls nicht erfüllbar. Dies gilt selbst dann, wenn sich das Stadtwerk wie in der Mehrzahl der Fälle, vollständig in kommunalem Eigentum befindet (Abs. 1 Buchst. c).

Betroffen wären ca. 800 Stadtwerke in Deutschland, die deutlich mehr als 50 % der Bevölkerung mit Trinkwasser versorgen. Auch die für die Wasserversorgung in ländlichen Regionen vorherrschende und bewährte Organisationsform der interkommunalen Zusammenarbeit wäre nur noch unter engen Ausnahmeregelungen ausschreibungsfrei möglich. Damit wäre diese bewährte Form der Kooperation zum Scheitern verurteilt. Auch die in einigen Teilen Deutschlands bestehende Regelung der gesetzlich verpflichtenden Beteiligung von Privaten an Wasserwirtschaftsverbänden würde in Frage gestellt.

Eine strukturverändernde Regelung des deutschen Wasserregimes wird aus Sicht der kommunalen Wasserwirtschaft und der kommunalen Spitzenverbände weiterhin abgelehnt. Das Vorsehen von Übergangsfristen, wie derzeit als Kompromiss im Parlament diskutiert, würde an diesem Sachverhalt nichts grundsätzlich ändern, sondern den Eingriff in bewährte Strukturen lediglich verzögern. Daher muss, wenn die Richtlinie nicht abgelehnt wird, zumindest die Wasserwirtschaft aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausgenommen werden.

Sollte auch dies keine Mehrheit finden, dann müsste auf jeden Fall

- das Verbot privater Beteiligungen auf aktive private Beteiligungen beschränkt werden

und

- bei der Betrachtung der Umsätze des Unternehmens, das die jeweilige Konzession erhalten soll, nur die Umsätze der jeweiligen Sparte einbezogen werden, d. h. die Umsätze, die Gegenstand der Konzession sind. Nur so können diese Unternehmen, die sowohl in liberalisierten Dienstleistungsbereichen, wie z.B. der Energieversorgung, als auch in nicht liberalisierten, wie z.B. der Wasserversorgung, tätig sind, von den Ausnahmeregelungen der Artikel 11 und 15 Gebrauch machen.

Beziehungen zwischen öffentlichen Stellen (interkommunale Zusammenarbeit)

Daneben dürfen die Voraussetzungen für eine vergabefreie vertragliche interkommunale Zusammenarbeit nicht über die durch den Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache C480/06 (Stadtreinigung Hamburg) aufgestellten und nun kürzlich im Fall C-159/11 (Azienda Sanitaria Locale di Lecce) bestätigten Bedingungen hinausgehen.

Bei der interkommunalen Zusammenarbeit handelt es sich demnach um Verträge, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe vereinbart wird, die ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden, keinen privaten Dienstleistungserbringer besser stellen als seine Wettbewerber und die nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen.

Das nach wie vor in Artikel 15 Absatz 4 a) des Richtlinienentwurfs vorgesehene Kriterium einer Gegenseitigkeit von Leistungen im Sinne gegenseitiger Rechte und Pflichten der beteiligten Einrichtungen wird darin gerade nicht verlangt. Dieses von der EU-Kommission aufgestellte Kriterium wird von den kommunalen Spitzenverbänden nachdrücklich abgelehnt, weil es den Fall der klassischen interkommunalen Zusammenarbeit künftig unmöglich machen würde. Folge wäre, dass eine Kommune nicht mehr für eine andere öffentliche Aufgaben übernehmen könnte. Eine funktionierende Kooperation zwischen kommunalen Gebietskörperschaften ist aber unabdingbare Voraussetzung für die Gewährleistung der Dienstleistungen der örtlichen Daseinsvorsorge.

Folglich ist die für eine ausschreibungsfreie interkommunale Zusammenarbeit geplante Voraussetzung der sogenannten „echten Zusammenarbeit“ einschließlich gegenseitiger Rechte und Pflichten zu streichen.

Zivil-und Katastrophenschutz

Schließlich sprechen sich die kommunalen Spitzenverbände dringend für eine generelle Bereichsausnahme für den Zivil-und Katastrophenschutz einschließlich der alltäglichen Gefahrenabwehr aus. Darunter fällt insbesondere die Notfallrettung.

Der Rettungsdienst ist ein Bestandteil des Zivil-und Katastrophenschutzes. Darin geht es um die notfallmedizinische Versorgung der Bürger in Not. Ausdrücklich nicht erfasst ist der von vornherein geplante, verordnete Krankentransport, der bereits zum Teil in Deutschland und Europa in privaten Händen ist.

Zur Sicherstellung und Gewährleistung des Zivil-und Katastrophenschutzes im Rahmen der alltäglichen Gefahrenabwehr dürften Kriterien wie Wirtschaftlichkeit keinen entscheidenden Ausschlag geben. Vielmehr muss im Interesse des Bürgers eine wirksame, durch gut ausgebildete Fachkräfte schnell einsatzbereite, aufwuchsfähige und damit gesicherte Notfallrettung im Vordergrund stehen. Diese kann in bestimmten Regionen nur durch die bestehenden ehrenamtlichen Strukturen der Hilfsorganisationen gewährleistet werden, die im Notfall zusätzlich zu den hauptamtlichen Strukturen genutzt werden müssen.

Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese Anliegen unterstützen könnten. Für Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen"

(Quelle: DStGB Aktuell 0413)

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