Mitteilungen 01/2017, Seite 11, Nr. 4

Güllner: Bürgernähe und Heimatliebe nehmen ab, wo Gebietsreformen durchgeführt werden und auf die Wahlbeteiligung wirken sie sich negativ aus

„Bürgernähe und Heimatliebe nehmen ab, wo Gebietsreformen durchgeführt werden und auf die Wahlbeteiligung wirken sie sich negativ aus. Kosteneinsparungen sind hingegen kaum zu erwarten“, schreibt Professor Manfred Güllner, Gründer und Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa in der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund herausgegebenen Zeitschrift KOMMUNAL 01-02/2017. In den sechziger und siebziger Jahren sei die Politik der Meinung gewesen, dass die historisch gewachsenen Strukturen und Grenzen der Städte und Gemeinden neu überdacht und an Vorstellungen der Raumplanung angepasst werden müssen. Die Folge sei eine drastische Reduzierung der Zahl der Gemeinden, Städte und Landkreise gewesen. Den Bürgern seien Gebietsreform durch verschiedene Verheißungen schmackhaft gemacht worden. So sollten die durch Gebietsreformen geschaffenen größeren Verwaltungseinheiten im Vergleich zu den alten, kleinen Gemeinden weniger kosten, leistungsfähiger sein und vor allem mehr Bürgernähe bringen. Güllner weist in seinem Beitrag darauf hin, dass zum Beispiel in Hessen die Zahl der Gemeinden von 2642 im Jahre 1969 bis 1977 auf 426 reduziert worden sei. Die radikalste Gemeindegebietsreform sei in Nordrhein-Westfalen durchgeführt worden. Hier sei die Zahl der Gemeinden von 2365 in mehreren Etappen bis 1975 auf 396 reduziert worden. In NRW habe eine Gemeinde heute im Durchschnitt fast 45.000 Einwohner. Dies sei viel mehr als in allen anderen Flächenbundesländern. Demgegenüber habe im Freistaat Bayern eine Gemeinde im Durchschnitt etwa 6.200 Einwohner, obwohl auch dort im Zuge einer Gebietsreform die Zahl der Gemeinden deutlich reduziert wurde. In Nordrhein-Westfalen und auch in Hessen hätten die im Vergleich zu anderen Bundesländern radikalsten gebietlichen Neuordnungen alles in allem eher negative als positive Auswirkung gehabt. Vor allem sei die lokale Identität und somit auch die frühere starke Identifikation mit dem Wohnort verloren gegangen. Demgegenüber lebten in Bayern auch heute noch 90 Prozent der Bewohner der kreisangehörigen Gemeinden gern in ihrer Gemeinde. Dies sei bundesweit ein Spitzenwert. Die hohe Identifikation mit dem Wohnort führe im Übrigen zu einer hohen Wahlbeteiligung bei lokalen Wahlen. Enttäuscht seien die Bürger in Hessen und in Nordrhein-Westfalen vor allem aber darüber, dass die durch die Gebietsreform geschaffenen größeren Verwaltungseinheiten weder sparsamer noch leistungsstärker und schon gar nicht bürgernäher geworden seien als die früheren Gemeinde- und Stadtverwaltungen. Und die in den sechziger und siebziger Jahren versprochenen Funktionalreformen seien bis heute noch nicht begonnen geschweige denn durchgeführt worden. In diesem Zusammenhang weist Güllner auch darauf hin, dass im Land Brandenburg bereits Ende 2015 eine klare Mehrheit von 67 Prozent aller Bürger die von der Landesregierung geplante Kreisgebietsreform abgelehnt hätten. Die Ablehnung habe sich bereits Ende 2015 in allen Bevölkerungs- und Wählergruppen gezeigt. Lediglich die Anhänger von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hielten häufiger als der Durchschnitt der Brandenburger die geplante Reform für sinnvoll. Der vollständige Beitrag von Manfred Güllner ist auf www.kommunal.de aufrufbar.

Auch Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes machte in einem Statement gegenüber dem Handelsblatt deutlich, Politik und Demokratie würden vor Ort erlebbar. Die Bürgerinnen und Bürger identifizierten sich gerade in Zeiten der Globalisierung mit der Stadt oder Gemeinde, in der sie häufig schon lange lebten. Diese Identifikation sinke, je größer die Verwaltungseinheiten seien und je größer die räumliche Distanz zu den lokalen Entscheidungsträgern ist. Dann kann aus fehlender Identifikation schnell Frustration entstehen. Insofern überrasche – so Landsberg - der Befund des ifo-Instituts nicht. Zahlen einer Erhebung von Forsa zeigten zudem, dass die Wahlbeteiligung mit der Gemeindegröße abnehme. Große, anonyme Verwaltungseinheiten könnten einen Verlust von Identifikation und einen Rückgang des politischen Engagements bedeuten. Daher sollte man sehr sorgfältig überlegen, ehe man Gebietsreformen durchführt und damit gewachsene Strukturen gefährde. Für die errechneten Einsparungen und Synergieeffekte zahlten wir an anderer Stelle sonst womöglich einen hohen Preis.

Jens Graf, Referatsleiter

Az. 011-00

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