Mitteilungen 02/2011, Seite 31, Nr. 21

Weiterentwicklung von Ganztagsschulen im Land Brandenburg   

Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat sich zur Weiterentwicklung von Ganztagsschulen im Land Brandenburg im Zusammenhang mit der Novellierung der Verwaltungsvorschriften über Ganztagsangebote an allgemein bildenden Schulen (VV-Ganztag) mit nachfolgender Stellungnahme vom 24. Februar 2011 gegenüber dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg positioniert:

„Sehr geehrter Herr Staatssekretär,

wir bedanken uns für die Übersendung des Entwurfs von Verwaltungsvorschriften über Ganztagsangebote an allgemein bildenden Schulen (VV-Ganztag) und nutzen gern die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wir fassen insoweit die im Ausschuss für Bildung, Jugend, Kultur und Sport unseres Verbandes in seiner Sitzung vom 1. November 2010 erarbeiteten Positionen zusammen . Die Anregungen aus Sicht der Städte, Gemeinden und Ämter sind bereits in einem Arbeitsgespräch mit Herrn Abteilungsleiter Hilliger vom 16. November 2010 eingehend dargelegt worden, sodass wir von einer zwischenzeitlichen Überarbeitung des Entwurfes durch Ihr Haus ausgehen dürfen.

Wir haben es im November 2009 sehr begrüßt, dass die Koalitionäre von SPD und DIE LINKE im Koalitionsvertrag folgendes vereinbart haben: „Der Ausbau von Ganztagsschulen wird fortgesetzt. Der Schwerpunkt wird auf die qualitative Verbesserung der Ganztagsangebote gelegt. Es wird eine Evaluation der bisherigen Ganztagsschulen geben.“

Wir halten heute fest, dass bislang allein durch die Vorlage des Entwurfs der Verwaltungsvorschriften Ganztag ein - unzureichender - Versuch unternommen worden ist, sich der Umsetzung dieser politischen Zielvorstellungen zu nähern.  

Wir kritisieren insbesondere, dass die angekündigte Evaluation der Situation der Ganztagsschulen bislang nicht erfolgt ist und keine diesbezüglich ernsthaften Anstrengungen im Bildungsministerium unternommen werden. Im Februar 2010 hatte sich das Ministerium zwar an die Jugendämter der Landkreise und kreisfreien Städte gewandt und „zur Entwicklung eines Evaluationsdesigns“ um deren Einschätzung zur Entwicklung der Ganztagsangebote gebeten. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen jedoch weder eine Auswertung der Rückmeldungen der Jugendämter noch ein Konzept für die Evaluation oder gar Ergebnisse vor. Nach Informationen unserer Mitglieder haben die Jugendämter die Erhebung zum Anlass genommen, um ihrerseits die Städte und Gemeinden um entsprechende Einschätzungen zu bitten. Angesichts des damit verbundenen Arbeitsaufwandes auf kommunaler Ebene können wir im Lichte effizienten Verwaltungshandelns sowie des gemeinsamen Interesses an einem gelingenden Ausbau der Ganztagsangebote kein Verständnis dafür aufbringen, dass die Ergebnisse der Erhebung im Ministerium offenbar der Aktenablage zugeführt worden sind.

Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hält die Durchführung einer soliden landesspezifischen Evaluation vor einer Änderung der Verwaltungsvorschriften Ganztag für zwingend erforderlich. Die bundesweite StEG-Studie ist unzureichend, da sich diese nicht gezielt mit den seitens des Landes Brandenburg gewählten Strategien und Rahmenbedingungen auseinandersetzt.

Der Entwurf weist eine Fülle inhaltlicher Änderungen auf, die fachliche Standards normieren und teilweise erhöhen. Gleichwohl ist eine Verbesserung der Personalausstattung der Schulen nicht vorgesehen. Insoweit erneuert der Städte- und Gemeindebund Brandenburg die Forderung, die Verwaltungsvorschriften Unterrichtsorganisation den im Entwurf der VV Ganztag fixierten qualitativen Erwartungen durch eine Erhöhung der Lehrerwochenstunden (Ganztagszuschläge) anzupassen. Überdies ist ein stärkeres finanzielles Engagement erforderlich, um den Ganztagsausbau auch in quantitativer Hinsicht fortzusetzen. Zum Schuljahr 2010/2011 sind aus Haushaltsgründen erneut Anträge auf Einrichtung von Ganztagsschulen (an Gymnasien) abgelehnt worden.

Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg erinnert daher an das Bekenntnis der Landesregierung zur  „Priorität Bildung“ und ermuntert die Koalition, in diesem Sinne die personellen und finanziellen Rahmenbedingungen für den Ausbau Ganztag zu verbessern.

Der Entwurf schafft keine Finanzierungssicherheit für die Integrierte Kindertagesbetreuung in den Verlässlichen Halbtagsgrundschulen (VHG), wie sie unser Verband seit Langem fordert. Bereits im Rahmen der Novellierung des Kindertagesstättengesetzes war dieser zentralen Handlungsnotwendigkeit nicht Rechnung getragen worden. Mittlerweile wird berichtet, dass die dauerhaften Finanzierungsdefizite an Verlässlichen Halbtagsgrundschulen dazu führen, dass Träger der Integrierten Kindertagesbetreuung aus dem „Projekt Ganztag“ wieder aussteigen und zu dem Modell „Schule plus Hort“ zurückkehren wollen. Eine solche Entwicklung ist nicht im Sinne ambitionierter Bildungspolitik. Die Landesregierung wird daher erneut aufgefordert, die Finanzierungssicherheit der Träger integrierter Kindertagesbetreuung sicherzustellen.

Positiv werten wir, dass dem Schulträger nunmehr ein Initiativrecht auf dem Weg zum Ganztag eingeräumt sowie dessen reguläre Mitwirkungsrechte gestärkt werden sollen. Dies ist nach unserer Auffassung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Er stellt sicher, dass künftig in wesentlichen Fragen des Ganztagsschulbetriebs nicht mehr am Schulträger vorbei agiert werden kann. Dies hat in den zurückliegenden Jahren bekanntlich zu vermeidbaren Reibungsverlusten geführt. Wir begrüßen ausdrücklich, dass das Ministerium mit diesen Regelungsvorschlägen den diesbezüglichen Verhandlungen mit dem Fachausschuss unseres Verbandes Rechnung trägt und einen Beitrag zur Stärkung der Gestaltungsrechte der Schulträger im Sinne lokaler Bildungslandschaften leistet.

Gleichwohl ist festzustellen, dass der Entwurf auch insoweit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, da abschließende Entscheidungskompetenzen des Schulträgers nicht vorgesehen sind. So soll das Antragsrecht laut Entwurf beim Schulleiter verbleiben. Der Schulträger soll lediglich die Möglichkeit erhalten, mittels einer Elternbefragung Interesse und Bedarf an einem Ganztagsangebot zu ermitteln und so den Prozess anzustoßen. Insoweit plädieren wir ausdrücklich für das unmittelbare Antragsrecht der Schulträger.

Wir fordern weiterhin, dass die Zustimmung des Schulträgers zum Abschluss von Kooperationsvereinbarungen erforderlich ist. Aus der Praxis wissen wir, dass Vereinbarungen bisweilen ohne Zustimmung der Schulträger geschlossen worden sind, was regelmäßig im Nachhinein zu Problemen führte, z.B. hinsichtlich der Sachausstattung der Schulen und der Raumkapazitäten.

Im Übrigen weisen die Praktiker regelmäßig darauf hin, dass vor Ort Reibungsverluste durch unabgeschlossene Diskussionen darüber entstehen, welche Konsequenzen die mangelnde Leistungserbringung des einen oder anderen Akteurs von Ganztag nach sich ziehen könne. Insoweit hat der partnerschaftliche Ansatz des gemeinsamen Aushandlungsprozesses nur in gewissen Grenzen Charme. Um notwendige Entwicklungen voranzutreiben, bedarf es der Schaffung von Rechtsklarheit sowie die Benennung von Entscheidungskompetenzen zugunsten des Schulträgers. Wir bitten um entsprechende Überarbeitung der Verwaltungsvorschriften.

Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die überaus positiven Erfahrungen, die im Rahmen der schulischen Standarderprobungsverfahren gewonnen werden konnten. Diese sind Beleg dafür, dass sich der Mut zur Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf die Städte und Gemeinden in einem signifikanten Gewinn für eine bedarfsnahe, unbürokratische und fachkompetente Daseinsvorsorge auszahlt. Diese Erkenntnisse sollten im Bereich Ganztag unbedingt aufgegriffen werden, um dem Verständnis von einem offenen Lern- und Lebensort Schule gerecht zu werden.

Wir begrüßen abschließend den angestrebten Ressourcenausgleich zwischen Integrierter Kindertagesbetreuung (z.B. Mittagsband, früher Beginn) und Lehrern. Wir halten es vor dem Hintergrund  gesicherter Praxiserfahrungen für sachgerecht, dass künftig Lehrkräfte auch außerhalb des zeitlichen Rahmens der Verlässlichen Halbtagsgrundschule mitwirken sollen. Wir erwarten jedoch, dass den Staatlichen Schulämtern und den Schulleitungen eine entsprechende Unterstützung des Ministeriums zuteil wird, um die Umsetzung in der Praxis sicherzustellen.

Wir bitten um Berücksichtigung und stehen für Rücksprachen gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Ludwig Böttcher“

Das Ministerium beabsichtigte ursprünglich ein Inkrafttreten der Neuregelungen zum 1. Januar 2011. In der ersten Lesung des Entwurfs im Landesschulbeirat vom 4. Dezember 2010 ist von verschiedenen Seiten ein erheblicher Diskussionsbedarf um die Weiterentwicklung von Ganztag artikuliert worden, dem angesichts der kurzfristigen Übersendung des Entwurfs  nicht hinreichend Rechnung getragen werden konnte. Aus diesen Gründen konnte eine zweite Lesung im Landesschulbeirat vom 26. Februar 2011 durchgesetzt werden. Der Landtag Brandenburg hat die Weiterentwicklung im Bereich Ganztag in diesem Zeitraum noch nicht vertieft diskutiert.

Bianka Petereit, Referatsleiterin

Az: 200-02                                                                           

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