Mitteilungen 05/2017, Seite 175, Nr. 68

Entwurf eines Gesetzes zur Antidiskriminierung im Land Brandenburg

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat am 28. Juni 2016 den Entwurf eines Gesetzes zur Antidiskriminierung im Land Brandenburg (Landesantidiskriminierungsgesetz – LADG Bbg) in den Landtag eingebracht. (Drucksache 6/4492). Dieser Gesetzentwurf lehnt sich an an einen Entwurf der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und der Piratenfraktion des Abgeordnetenhauses Berlin aus November 2015. Dort ist er als Gesetzentwurf nicht verabschiedet worden. Es gibt in keinem Bundesland ein solches Antidiskriminierungsgesetz.

a) Der Gesetzentwurf wendet sich an die öffentliche Verwaltung in Brandenburg, gilt also für die Landesverwaltung, Gerichte und für Gemeinden, Ämter und Landkreise. Mit ihm soll verhindert werden, dass Bedienstete des öffentlichen Dienstes in Brandenburg durch öffentlich-rechtliches Handeln wegen der Abstammung, Nationalität, Sprache, des Geschlechts, der sexuellen Identität, sozialen Herkunft oder Stellung, einer Behinderung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung, des Lebensalters und aus rassistischen Gründen diskriminieren. Die Verwaltungen sollen eine Diversity-Folgenabschätzung einführen, die Mitarbeiter in der Akzeptanz von Vielfalt fortbilden. Die Verwaltungen sollen proaktiv ein Klima der Wertschätzung von Vielfalt schaffen. Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sollen die Verwaltungen ab einer Auftragssumme von 50.000 Euro den Auftragnehmern Verpflichtungen aufgeben, Maßnahmen zur Beseitigung bestehender Nachteile und zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung von Chancengleichheit durchzuführen. Gleiches gilt bei der Zuwendung von Fördermitteln an Vereine oder Organisationen. Die Umsetzung dieser Auflagen soll kontrolliert werden.

Personen, die durch einen Bediensteten der öffentlichen Verwaltung oder ein Gericht in Brandenburg diskriminiert werden oder meinen, diskriminiert worden zu sein, sollen das Recht erhalten, gegen die Anstellungskörperschaft vorzugehen, die ordentliche Gerichtsbarkeit anzurufen und Schadenersatz und Entschädigung zu verlangen. Ausreichend ist die Behauptung, diskriminiert worden zu sein. Die Körperschaft trägt die Beweislast und muss praktisch den Beweis antreten, dass etwas nicht war, dass nicht diskriminiert wurde. Prozessstandschaft und ein Verbandsklagerecht sind vorgesehen.

Eine Landesstelle für Chancengleichheit, die angerufen werden kann, soll eingerichtet werden. Die Kommunen werden verpflichtet, diese zu unterstützen, ihr Akteneinsicht zu gewähren, gegenüber der Landesstelle Stellung zu nehmen. Die Landesstelle soll die Befugnis erhalten, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist den Bürgermeister oder Amtsdirektor aufzufordern, zu einem Verstoß gegen die Chancengleichheit Stellung zu nehmen. Sie darf diese Stellungnahme beanstanden und Vorschläge zu einem anderen Verwaltungshandeln machen.

b) Der Gesetzentwurf des Landesantidiskriminierungsgesetzes wurde am 13. Juli 2016 in 1. Lesung im Landtag Brandenburg behandelt. Er wurde zur weiterführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie sowie an den Rechtsausschuss des Landtages Brandenburg verwiesen. Der AASGFF als federführender Ausschuss hat am 30. November 2016 eine Anhörung durchgeführt, zu der folgende Personen eingeladen bzw. zugegen waren:  Herr Alexander Tischbirek (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Humboldt Universität Berlin); Frau Prof. Dr. Christiane Brors (Institut für Rechtswissenschaften Fachgebiet Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht, Universität Oldenburg); Herr Alexander Klose (Büro für Recht und Wissenschaft Berlin); Herr Jörg Wagner (Oberstaatsanwalt, Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen, Landesverband Brandenburg); Frau Ingmar Pech (Antidiskriminierungsberatung Brandenburg/Opferperspektive e. V.). Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber hatte ihre Einladung an den Kommunalen Arbeitgeberverband Brandenburg weitergereicht, so dass Geschäftsführer Klapproth eine kurze kritische, schriftliche Stellungnahme abgegeben hat.

Die kommunalen Spitzverbände im Land, die gemäß der Landesverfassung zu beteiligen sind, wurden durch den Ausschuss erst zu einer Anhörung in einer Sitzung des Ausschusses am 3. Mai 2017 eingeladen. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat eine umfangreiche, kritische und ablehnende Stellungnahme abgegeben.

Die abschließende Beratung des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie soll, nachdem der Rechtsauschuss sich positioniert hat, am 13. September 2017 stattfinden.

c) Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat den Gesetzentwurf abgelehnt. In der Gesamtschau hat sich ergeben, dass es für ein Gesetz zur Antidiskriminierung im Land Brandenburg aus verschiedenen Gründen keinen Bedarf gibt, der Gesetzentwurf in Teilen verfassungswidrig ist und im Übrigen eine Reihe von Rechtsfragen und Fragen der Anwendung offen läßt. Da insbesondere die Mitgliedschaft, die Städte, Gemeinden und Ämter, bei Erlass des vorliegenden Gesetzentwurfes in ihren Rechten verletzt würden, lehnt der Verband ihn ab.

- In der Gesetzesbegründung heißt es, das Gesetz sei notwendig, damit die Verwaltung nicht diskriminiert. Die Gesetzesbegründung geht an keiner Stelle auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein und darauf, dass der gesamte öffentliche Dienst in Brandenburg an das Grundgesetz gebunden ist und nach Gesetz und Recht handelt. In Art. 1 Abs. 3 GG heißt es: „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“ Dies bedeutet, dass die Gleichheits- und Freiheitsrechte aus Art. 3 Abs. 3 GG bei allem staatlichen Handeln zu beachten sind.
Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und sind die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Legislatives Handeln oder exekutives Handeln, das diesen Prinzipien widerspricht, ist rechtswidrig. Maßnahmen der Verwaltung, die jemanden benachteiligen oder bevorzugen aus den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Anknüpfungspunkten bedürfen zu ihrer Rechtfertigung eines sachlichen Grundes.

- In der Gesetzesbegründung heißt es verschiedentlich „Menschen könnten sich nicht gegen einen diskriminierenden Lehrer oder einen diskriminierenden Behördenmitarbeiter zur Wehr setzen“. Diese Aussage verkennt das Rechtsstaatssystem in Deutschland und dient nicht dazu, das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Politik zu fördern.

- Nach § 6 LADG-E ist diejenige Körperschaft, in deren Dienst die Person steht, die die Diskriminierung begangen hat, verpflichtet, der diskriminierten oder gemaßregelten Person den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögenschaden ist, kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Die Ansprüche verjähren in drei bzw. dreißig Jahren. Hierbei ist überhaupt nicht geklärt, in welchem Verhältnis diese Regelung zu anderen zum Schadensersatz verpflichtenden Regelungen steht.
Laut der Begründung soll die Regelung § 70 PolG und § 38 OBG nachgebildet sein. In diesen Fällen geht es aber darum, dass die Ordnungs- und Polizeibehörden wegen Eingriffsmaßnahmen eine Entschädigung leisten. Die Tatbestände sind daher nicht miteinander zu vergleichen.
Auch heißt es in der Begründung, es bestehe der „allgemein anerkannte Grundsatz, dass eine betroffene Person, ehe sie Schadenersatz wegen einer Amtspflichtverletzung geltend macht, sich zunächst gegen das beanstandete Verwaltungshandeln selbst wenden muss“. Bei § 6 LADG-E handelt es sich aber um einen weiteren Schadenersatzanspruch, so dass sich die Frage stellt, in welchem Verhältnis dieser Anspruch zur Haftung bei Amtspflichtverletzungen (Art. 34 GG), zu § 839 BGB, zur Haftung nach dem Staatshaftungsgesetz oder zu Sondervorschriften wie § 33c SGB I, § 19a SGB IV steht.

- §§ 8 und 9 LADG-E führen in der Umsetzung zu Grundrechtsverletzungen bei Arbeitgebern und Betrieben, bei Organisationen und Verbänden, die Vertragspartner der jeweiligen Körperschaft oder Zuwendungsempfänger werden sollen bzw. sind. § 8 LADG-E verletzt Dritte in ihrer Berufsausübungsfreiheit, ihrer Meinungsfreiheit und ihrer unternehmerischen Freiheit. Die Verordnungsermächtigung in § 8 Abs. 3 LADG-E führt zu Verletzungen der Vertragsfreiheit. Diese Eingriffe sind unverhältnismäßig, denn nichts spricht dafür, dass in Betrieben von Auftragnehmern der öffentlichen Hand in Brandenburg diskriminiert würde.

- Mit dem Gesetzesziel, in der öffentlichen Verwaltung eine Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zu etablieren und zu leben, greift das Gesetz in die Selbstverwaltungskompetenzen und in die inneren Angelegenheiten der Städte und Gemeinden unzulässig und ohne Grund ein. Das Land Brandenburg kann ? anders als in dem Stadtstaat Berlin – den Gemeinden nicht per Gesetz vorgeben, wie sie kommunalpolitisch zu denken haben.
So soll die Landesstelle für Chancengleichheit sicherstellen, dass das Themenfeld Diskriminierung und Chancengleichheit in der Politik der Kommunen als Querschnittsthema verankert wird. Das Gesetz möchte eine Veränderung sozialer Prozesse erreichen, indem den Kommunen mit § 7 LADG-E vorgegeben wird, Strukturen und Machtverhältnisse in den Blick zu nehmen, die zur Unterrepräsentanz bestimmter Gruppen, insbesondere in Führungspositionen, geführt haben können. Es ist eine Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zu etablieren, hierfür wird als Instrument die Diversity-Folgenabschätzung vorgegeben. Diese besteht in fünf Verfahrensschritten.

Damit will das Gesetz kommunalpolitisch Einfluss nehmen, Vorgaben machen und steuern. Es steht jedoch allein Städten und Gemeinden zu, beispielsweise im Sinne eines kommunalpolitischen Leitbildes, festzulegen, in welche Richtung sich die Stadt oder die Gemeinde in ihren Anschauungen und Wertvorstellungen entwickeln will, ob das Thema Toleranz, das Thema Vielfalt, die Themen Senioren oder Familie für sie einen bestimmten Schwerpunkt darstellen sollen oder ob andere Themen in den Vordergrund gerückt werden. 

- § 17 LADG-E will festlegen, dass Städte, Gemeinden und Ämter verpflichtet sind, mit der Landesstelle für Chancengleichheit zusammenzuarbeiten, sie zu unterstützen, ihr Auskünfte zu erteilen, Akteneinsicht zu gewähren u.a.. Der Landesstelle für Chancengleichheit soll, wenn sie Verstöße gegen die Vorschriften des LADG-E feststellt, die Befugnis eingeräumt werden, die Hauptverwaltungsbeamten innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist zur Stellungnahme aufzufordern, welche sie dann beanstanden können soll. Sie kann gegenüber dem Hauptverwaltungsbeamten Vorschläge zur Verbesserung machen. Das Gleiche soll bei Zweckverbänden und kommunalen Anstalten gelten.

Zwar unterliegen die Städte, Gemeinden und Ämter einer staatlichen Aufsicht. Allerdings handelt es sich im Bereich der Selbstverwaltung um eine Rechtsaufsicht, die in BbgKVerf abschließend geregelt ist. Geregelt ist auch, wer die Kommunalaufsicht ausübt. Daneben gibt es keinen Raum für die Verpflichtung der Städte, Gemeinden und Ämter, einer Landesstelle für Chancengleichheit zuzuarbeiten, ihr Akteneinsicht zu gewähren und Rede und Antwort zu stehen, wenn diese mit dem Vorgehen oder den Maßnahmen nicht einverstanden ist. Damit greift § 17 LADG-E in die kommunale Selbstverwaltung ein. Da es eine Kommunalaufsicht gibt, sind die diesbezügliche Aufgaben und Kompetenzen der Landesstelle zudem unverhältnismäßig.

- Der Gesetzentwurf enthält weder eine Kostenabschätzung, noch eine Prognose über die auf Dauer entstehenden Ausgaben. Einen Kostendeckungsvorschlag enthält er ebenfalls nicht. Fest steht, dass das Gesetz in den Verwaltungen, bei Auftragnehmern und bei Zuwendungsempfängern zu einem höheren Verwaltungsaufwand führen wird.

d) Das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes trägt die ablehnende Haltung der Geschäftsstelle, insbesondere deshalb, weil dieses Gesetz angesichts des Grundgesetzes vollkommen unnötig ist. Aus dem Kreis der Sozialdezernenten wurde zudem zu bedenken gegeben, dass mit einem solchen Gesetz Integration und Maßnahmen der Integration behindert würden.

Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin

Az: 009-00   

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