Mitteilungen 07/2014, Seite 299, Nr. 144

Bundesrat lehnt Gesetzentwurf zu Mindestabständen bei Windenergieanlagen ab

Der Bundesrat hat am 23. Mai 2014 den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen abgelehnt. Zur Begründung führt der Bundesrat aus, dass er die vorgesehene Länderöffnungsklausel als überflüssig und im Hinblick auf die notwendige Umsetzung der Energiewende als kontraproduktiv ansieht.

Keine fachlichen Argumente

Außerdem betonten die Länder, dass sie auch aus fachlichen Gesichtspunkten kein Bedürfnis für eine Regelung sehen. Bereits nach geltendem Recht sei nämlich über bauplanungsrechtliche und immissionsschutzrechtliche Regelungen gewährleistet, dass angemessene Abstände zur Wohnbebauung einzuhalten sind.

Der Gesetzentwurf soll länderspezifische Regelungen für Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnhäusern ermöglichen. Dies trägt nach Darstellung der Bundesregierung dem Umstand Rechnung, dass angesichts der gewachsenen Gesamthöhe von Windenergieanlagen die Akzeptanz dieser Anlagen vielfach von der Entfernung zu Wohnhäusern abhängt. Den Ländern soll daher die Befugnis eingeräumt werden, durch Landesgesetze Mindestabstände zu bestimmten baulichen Nutzungen festlegen zu können.

Anmerkung:

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat anlässlich der Sitzung des Bundestags-Umweltausschusses am 21. Mai 2014 ausführlich zum Gesetzentwurf Stellung genommen:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

das Bundeskabinett hat am 8. April 2014 den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen beschlossen.

Anlässlich der nun anstehenden Beratungen im Bundesrat sowie im Deutschen Bundestag möchten wir Ihnen die Position der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zu diesem Gesetzentwurf übermitteln:

I. Allgemein:

Den Ländern soll durch Einfügung eines neuen Absatzes 3 in § 249 BauGB die Befugnis eingeräumt werden, den Privilegierungstatbestand für Windenergieanlagen im Außenbereich durch bis zum 31. Dezember 2015 zu verkündende Landesgesetze von der Einhaltung von Mindestabständen zu bestimmten zulässigen baulichen Nutzungen abhängig zu machen. Die Einzelheiten, insbesondere zur Abstandsfestlegung und zu den Auswirkungen der festgelegten Abstände auf Ausweisungen in geltenden Flächennutzungsplänen und Raumordnungsplänen, sind in den Landesgesetzen zu regeln.

Als Begründung für die Gesetzesänderung wird lediglich auf eine entsprechende Vorgabe im Koalitionsvertrag vom 16. Dezember 2013 verwiesen, ergänzt durch die sehr allgemein gehaltene weitere Aussage, mit der Novelle die Akzeptanz der Windenergie erhöhen zu wollen.

Maßnahmen, die dazu dienen, die Akzeptanz des weiteren Ausbaus der Windenergie an Land zu befördern, sind grundsätzlich zu begrüßen. Die nunmehr vorgesehene Änderung des BauGB ist allerdings nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Im Gegenteil: Starre Abstandsregelungen, die je nach politischer Vorgabe von Land zu Land unterschiedlich oder auch gar nicht festgelegt werden können, lassen befürchten, dass die Errichtung von Windenergieanlagen in den Ländern, die von einer Abstandsregelung Gebrauch machen, erheblich erschwert und Investitionen dann vorzugsweise in solche Länder/Regionen verlagert wird, wo es keine entsprechenden Abstandsregelungen gibt. Bei der in diesen Gebieten ansässigen Bevölkerung würde voraussichtlich die Akzeptanz der Energiewende erheblich erschwert, da für die Bürgerinnen und Bürger schwer nachvollziehbar sein wird, warum manche Länder zu Lasten anderer ihr Gebiet von Windkraftanlagen „freihalten“ dürfen.

Eine Akzeptanzverbesserung im Zuge des Ausbaus der Windenergie erfordert ein nach bundeseinheitlichen Grundsätzen festgelegtes, abgewogenes Vorgehen „vor Ort“, das unter Einsatz der bewährten Instrumente der Regional- und Bauleitplanung bereits praktiziert wird und zu sachgerechten Ergebnissen führt. So wurden bereits vielerorts in gemeinsamer Arbeit von regionalen Planungsträgern mit den Gemeinden unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger aufgrund von umfassenden Standortanalysen regionalplanerische und bauleitplanerische Standortkonzepte für Windenergieanlagen entwickelt bzw. sind in Vorbereitung. Länderregelungen, die zukünftig – über die Vorgaben des BVerwG zu „harten Tabuzonen“ hinaus – starre Abstandserfordernisse für Windenergieanlagen vorsehen, können nicht die Ausgewogenheit eines planerischen kommunalen Standortkonzepts ersetzen – sie erschweren und behindern sogar den weiteren Einsatz der planerischen Instrumente. Der Gesetzentwurf legt zudem keine nachvollziehbaren Kriterien fest, nach denen eine Länderregelung auszurichten ist. Die Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB wird bei Umsetzung der Länderöffnungsklausel somit bedeutungslos, die Gemeinden verlieren ein wichtiges Steuerungsinstrument. Das stellt einen erheblichen Eingriff in die kommunale Planungshoheit dar.

Länder und Gemeinden verfügen mit der Landes-, Regional- und Bauleitplanung über ein bewährtes Instrument, das sinnvoll und wirksam zur Steuerung von Windenergieanlagen – gerade auch unter Berücksichtigung der schutzbedürftigen Belange der Bevölkerung - eingesetzt wird. Wir lehnen daher die vorgesehene BauGB-Änderung ab.

II. Energiewende erfordert bundeseinheitliches Vorgehen:

Eine Länderöffnungsklausel widerspricht der Grundforderung der kommunalen Spitzenverbände nach einem bundeseinheitlichen Vorgehen.

Der von der Bundesregierung beschlossene weitere Ausbau der erneuerbaren Energien ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn man im gesamten Bundesgebiet einheitlich und abgestimmt vorgeht. Mangels bundesgesetzlicher Vorgaben bleibt zudem offen, wie in der Praxis etwa der konkrete Abstand zu einer Windenergieanlage festzulegen ist und was konkret unter einer „zulässigen baulichen Nutzung“ zu verstehen ist. Der konkrete Gesetzestext erscheint insoweit jedenfalls deutlich weitergehender als die Gesetzesbegründung, die nur von „Wohnnutzungen“ spricht. Die Abstandsregelungen in den Ländern entwickeln sich mithin absehbar zu einem rechtlichen „Flickenteppich“

Wenn der Bund den uneingeschränkten Privilegierungstatbestand für Windenergieanlagen im Außenbereich grundsätzlich ändern möchte, so kann dies konsequenterweise nur durch eine entsprechende bundeseinheitliche Regelung im BauGB selbst erfolgen, wie es beispielsweise auch bei den Tierhaltungsanlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) und bei der energetischen Nutzung von Biomasse (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB) erfolgt ist. Eine Verlagerung in die Kompetenz der Länder führt hingegen dazu, dass die Intention des Bundesgesetzgebers, die er auch mit der Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich zum Ausdruck gebracht hat, unterlaufen werden kann.

III. Wesentliche Eckpunkte für eine Länderöffnungsklausel:

Sollte der Gesetzgeber ungeachtet der vorstehenden grundsätzlichen Bedenken dennoch an einer Länderöffnungsklausel gem. § 249 Abs. 3 BauGB-neu festhalten, sind aus kommunaler Sicht folgende Aspekte zu berücksichtigen:

- Vorrang spezifischer Planungen: Die in § 249 Abs. 3 BauGB vorgesehene Regelung ist so zu gestalten, dass sie dem Ausbau der Windenergie nicht entgegensteht, bestehende und künftige Planungen vor Ort und ihre zugrundeliegenden Interessenabwägungen respektiert und den Kommunen die Letztentscheidung im Rahmen ihrer Planungshoheit lässt. Dies setzt insbesondere eine Regelung voraus, wonach die landesgesetzlichen Abstandsregelungen keine Anwendung finden, wenn eine planerische Steuerung von Windenergieanlagen durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder in Raumordnungsplänen erfolgt. Wir regen ausdrücklich an, in diesen „Planungsvorrang“ auch Regionalpläne mit einzubeziehen, die (lediglich) Vorranggebiete (§ 8 Abs. 7 Nr. 1 ROG) ohne die Wirkung von Eignungsgebieten festlegen. Zudem sollte nicht nur in der Gesetzesbegründung, sondern auch im Gesetzestext klargestellt werden, dass den Gemeinden die Möglichkeit unbenommen ist, im Rahmen eines Bebauungsplans (z. B. durch Festsetzung eines Sondergebiets nach § 11 Abs. 2 BauNVO) von einer Landesregelung abweichende Abstände vorzusehen.

- Bestandsschutzregelung: Soweit die Länderöffnungsklausel im BauGB keinen generellen Vorrang für Regional- und Flächennutzungspläne vorsehen sollte, muss zumindest für bestehende und in Aufstellung befindliche Raumordnungs- und Flächennutzungspläne ein Bestandsschutz vorgesehen werden. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat bereits in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf (Stellungnahme vom 14. März .2014) nachdrücklich darauf hingewiesen, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes sichergestellt sein muss, dass landesgesetzliche Abstandsregelungen im Geltungsbereich von Flächennutzungsplänen oder Raumordnungsplänen grundsätzlich keine Anwendung finden, wenn in diesen Plänen vor Inkrafttreten der jeweiligen landesgesetzlichen Regelungen zum Zwecke der Steuerung die regionalplanerischen Instrumente des Vorrang- und des Ausschlussgebiets angewandt beziehungsweise nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB durch Darstellungen im Flächennutzungsplan Flächen oder Gebiete für Windenergie ausgewiesen wurden. Andernfalls würden aufwändig durchgeführte Planungen hinfällig und es müssten kosten- und zeitintensive Umplanungen durchgeführt werden. Dies scheint auch der Gesetzgeber erkannt zu haben. So wird im Gesetzentwurf unter III. Gesetzesfolgen, 3. Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte, unter Buchst. bb) zum Erfüllungsaufwand für die Gemeinden aufgeführt, dass „Kosten erst beim Gebrauchmachen von der Länderöffnungsklausel durch den Landesgesetzgeber entstehen (können)“. Zahlreiche Städte und Gemeinden und vor allem regionale Planungsverbände haben mit erheblichem zeitlichem und finanziellem Aufwand Konzentrationszonenplanungen durchgeführt oder sind im Begriff, solche Pläne zu erarbeiten. Der Referentenentwurf der Bundesregierung hatte eine Bestandsregelung vorgesehen. Hierbei muss es nach unserer Auffassung bleiben.

- Befristung: Um eine Verunsicherung der kommunalen Planungspraxis zu verhindern, ist es darüber hinaus geboten, an der in § 249 Abs. 3 BauGB-neu vorgesehenen zeitlichen Befristung der Länderöffnungsklausel bis zum 31. Dezember 2015 festzuhalten. Hintergrund ist, dass Städte und Gemeinden sowie Träger der Regionalplanung laufende oder beabsichtigte Planungen zur Steuerung der Windenergie an Land nicht weiterverfolgen werden, solange nicht feststeht, ob überhaupt, wann und mit welchem Inhalt eine Länderregelung regulierend auf die Regional- und Bauleitplanung einwirken könnte.

- Kollisionsregel: Für die kommunale Planungspraxis ist nicht erkennbar, ob eine durch Landesrecht festgelegte Abstandsregelung auch zu bestehenden baulichen Nutzungen jenseits der jeweiligen Landesgrenze einzuhalten ist, wenn im Nachbarland kein oder ein geringerer Mindestabstand bzw. abweichende schutzbedürftige bauliche Nutzungen festgelegt sind. Die Länderöffnungsklausel muss daher durch eine bundesrechtliche Kollisionsregel ergänzt werden.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände bittet um Berücksichtigung der vorstehenden Anregungen im weiteren Verfahren und steht Ihnen gerne für weitere Gespräche zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen“

(Quelle: DStGB 2214)

Az: 805-15

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