Mitteilungen 03/2015, Seite 109, Nr. 79

Befassungs- und Beschlusskompetenz der Kommunalvertretungen im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen

Die Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) werden durch den Städte- und Gemeindebund Brandenburg seit geraumer Zeit intensiv begleitet. So haben wir unsere Bundesverbände, den Deutschen Städtetag und den Deutschen Städte- und Gemeindebund, aktiv bei deren Positionierungen zu den Freihandelsabkommen unterstützt und teilweise nicht unerheblich zur Sensibilisierung im Hinblick auf die Gesamtproblematik beigetragen. Auch innerhalb unserer Präsidiumssitzungen haben wir uns mehrfach mit der Thematik auseinandergesetzt und insbesondere die kommunalrelevanten Bezüge, insbesondere zur kommunalen Daseinsvorsorge, herausgearbeitet. Als Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages hat Geschäftsführer Böttcher die Positionierungen unseres Präsidiums sodann in die Bundesebene eingebracht.

Besonders strittig ist derzeit die kommunalrelevante Frage, ob es überhaupt eine Befassungs- und Beschlusskompetenz der Kommunalvertretungen im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen gibt.

Zu dieser Frage hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages einen Infobrief herausgegeben, in dem er letztlich eine Beschlusskompetenz der Kommunalvertretungen im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen verneint. Diese Auffassung teilen weder wir noch der Deutsche Städte- und Gemeindebund oder der Deutsche Städtetag.

Zur umfassenden Information unserer Mitgliedschaft drucken wir im Folgenden den Infobrief des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages sowie die Replik des Deutschen Städtetages vollumfänglich ab.

Infobrief WD 3 – 3000 – 035/15 des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 11. Februar 2015

1. „Einleitung

Das derzeit zwischen der Europäischen Union und den USA verhandelte Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) hat nicht nur eine anhaltende politische Kontroverse ausgelöst, sondern auch zahlreiche Rechtsfragen aufgeworfen. So ist den Wissenschaftlichen Diensten in den vergangenen Wochen wiederholt die Frage gestellt worden, welche Kompetenzen die Kommunalvertretungen im Hinblick auf geplante internationale Freihandelsabkommen haben. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob und, wenn ja, in welchem Umfang sich die Kommunalvertretungen mit den Freihandelsabkommen befassen und dazu Beschlüsse erlassen dürfen.

Dies wird zum Anlass genommen, die Befassungs- und Beschlusskompetenz der Stadt- bzw. Gemeinderäte sowie der Kreistage im Hinblick auf Freihandelsabkommen grundsätzlich darzustellen.

2. Beschränkung der Verbandskompetenz der Gemeinden auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft

Den Gemeinden muss nach Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Damit wird die kommunale Selbstverwaltung im eigenen Wirkungskreis garantiert. Soweit diese reicht, sind die Gemeinden allzuständig (sog. Universalität des gemeindlichen Wirkungskreises). Diese verfassungsrechtliche Garantie der Selbstverwaltung hat zugleich kompetenzbegründende und kompetenzbegrenzende Wirkung gegenüber den Gemeinden.

Die kompetenzbegründende Wirkung besteht darin, dass Gemeinden die Befugnis haben, neben den ihnen ausdrücklich durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben auch bislang unbesetzte Aufgaben aus ihrem Bereich an sich zu ziehen. „Unbesetzte Aufgabe“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die betreffende Aufgabe bisher nicht einem anderen Träger öffentlicher Verwaltung (z.B. Bund oder Land) durch Gesetz zugewiesen ist. Darüber hinaus sind die Gemeinden berechtigt, sich aus ihrer ortsbezogenen Sicht mit bestimmten Fragen zu befassen, die zwar anderen Hoheitsträgern zugewiesen sind, aber spezifisch ortsbezogene Auswirkungen auf die Erledigung gemeindlicher Aufgaben haben. 

Kompetenzbegrenzend wirkt demgegenüber, dass sich die Aufgaben und Fragen auf den kommunalen Wirkungskreis der Gemeinde beziehen müssen. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht des Grundgesetzes gestattet danach die Befassung der Gemeinden mit einem bestimmten Sachgebiet nur dann, wenn dieses zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gehört (Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 GG). Diese hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rastede-Beschluss von 1988 definiert als „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen“.

Sämtliche Maßnahmen der Gemeinde müssen sich in dem so abgesteckten Rahmen halten. Sie müssen daher einen spezifischen örtlichen Bezug haben. Der Gemeinde kommt keine Kompetenz zur Befassung mit allgemeinpolitischen Angelegenheiten zu. Maßnahmen, die über den bezeichneten Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hinausgehen, sind rechtswidrig, da es an der gemeindlichen Zuständigkeit fehlt.

Diesen den Gemeinden durch das Grundgesetz gesetzten Grenzen ihrer Verbandskompetenz muss auch der Gemeinderat (bzw. die anderweitig bezeichnete Kommunalvertretung) als kommunales Hauptverwaltungsorgan Rechnung tragen. Der Gemeinderat ist, obwohl gelegentlich so bezeichnet, kein Parlament, sondern Verwaltungsorgan. Er handelt hoheitlich und bedarf hierzu einer Rechtsgrundlage. Diese findet sich in den jeweiligen Gemeindeordnungen der Länder, ist aber stets an die verfassungsrechtliche Grenze der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gebunden. Wird diese überschritten, ist das Handeln des Gemeinderates kompetenz- und damit rechtswidrig.

Das Erfordernis einer Rechtsgrundlage gilt auch für symbolische Entschließungen sowie für die bloße Befassung (z.B. Befassung mit einer Atomwaffenstationierung in Deutschland und Erklä- rung des Gemeindegebiets zur „atomwaffenfreien Zone"). Auch appellative Stellungnahmen des Gemeinderates müssen daher „in spezifischer Weise ortsbezogen“ sein, da anderenfalls keine Rechtsgrundlage besteht. Die Tatsache, dass der Gemeinderat nur für die eigene Gemeinde spricht, genügt dem Anspruch spezifischer Ortsbezogenheit nicht. Andernfalls könnte sich die Gemeinde mit jedem landes- oder bundespolitischen Thema befassen, das in irgendeiner Weise ? gegebenenfalls auch nur mittelbar ? die Gemeinde betrifft oder in Zukunft betreffen könnte, so dass die Begrenzung der Zuständigkeit auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft leerliefe. Bei überörtlichen Angelegenheiten kann ein spezifischer Ortsbezug dann anzunehmen sein, wenn diese sich gerade und in besonderer, also sich von anderen Gemeinden unterscheidender Weise auf die fragliche Gemeinde auswirken. Äußerungen, die den Charakter allgemeinpolitischer Stellungnahmen haben oder den Anschein solcher Stellungnahmen erwecken, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in jedem Fall unzulässig.

Diese Grundsätze zur Reichweite der Kompetenzen der Kommunalvertretungen entstammen einer Reihe von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 1990, die also kurz nach dem Rastede-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ergangen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zu entscheiden, ob sich Beschlüsse von Kommunalvertretungen, die vor dem politischen Hintergrund der Nachrüstungsdebatte Anfang der 1980er Jahre gefasst worden waren, im Rahmen der gemeindlichen Zuständigkeit hielten. Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich der durch das Bundesverfassungsgericht im Rastede-Beschluss getroffenen Definition der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft an und präzisierte hiervon ausgehend den Handlungsspielraum der Kommunalvertretungen. Im konkreten Fall entschied es, dass die Erklärung eines Gemeindegebiets zur „atomwaffenfreien Zone“ durch die Gemeindevertretung die Grenzen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde überschreite. Der Beschluss sei zwar äußerlich auf das Stadtgebiet bezogen, bringe aber in der Sache eine politische Ablehnung der durch den Bund beschlossenen Bewaffnung zum Ausdruck. Als vom kommunalen Selbstverwaltungsrecht umfasst erachtete das Bundesverwaltungsgericht dagegen einen Beschluss einer Gemeindevertretung, der sich lediglich zu einer etwaigen Atomwaffenstationierung im örtlichen Umfeld der Gemeinde äußerte und keine allgemeinpolitische Aussage enthielt. Ein spezifischer Ortsbezug lag insoweit vor.

3. Folgen im Hinblick auf die Befassung mit den Freihandelsabkommen

Unabhängig von der Frage, welche staatliche bzw. europäische Ebene für den Abschluss der geplanten Freihandelsabkommen zuständig ist, stellen diese nach den dargestellten Grundsätzen keine Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 GG dar. Zwar mögen die Abkommen – unter Umständen auch erhebliche – Auswirkungen auf die Wahrnehmung kommunaler Aufgaben haben. Dies macht die Freihandelsabkommen aber nicht zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Denn maßgeblich ist nicht, ob die Regelungen des Abkommens Auswirkungen auf gemeindliche Belange haben. Für die Abkommen ebenso wie allgemein für bundes- oder landesgesetzliche Regelungen gilt, dass die kommunale Zuständigkeit erst dann eröffnet ist, wenn ein spezifischer Bezug zur örtlichen Gemeinschaft besteht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Freihandelsabkommen bestimmte Gemeinden im Vergleich zu anderen Gemeinden in herausgehobener Weise und damit spezifisch ortsbezogen beträfen. Die Regelungen geplanter Freihandelsabkommen gelten im ganzen Bundesgebiet und haben damit Bezug zu allen Gemeinden.

Die Verbandskompetenz der Gemeinden erstreckt sich daher nicht auf eine politische Befassung mit den Freihandelsabkommen. Dies hat zur Folge, dass auch der Gemeinderat als Verwaltungsorgan der Gemeinde insoweit weder Beschlüsse fassen, noch sich überhaupt in politischer Hinsicht mit den Abkommen befassen darf. Schon die Befassung als solche, d.h. schon die Erörterung des Themas, auch wenn danach kein Beschluss dazu gefasst wird, wäre unzulässig.

Zulässig wäre eine Befassung hingegen, wenn diese nicht der politischen Erörterung der Abkommen, sondern etwaigen Entscheidungen gilt, die als Folge von Freihandelsabkommen auf dem Gebiet der kommunalen Aufgabenwahrnehmung zu treffen sind. Letztlich geht es hierbei allein darum, die Art und Weise der Wahrnehmung kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben an die entsprechenden Rechtsänderungen anzupassen. Dies ist von der gemeindlichen Zuständigkeit selbstverständlich umfasst. Die Kommunalvertretung hat bei einer derartigen Befassung aber nicht die Kompetenz, ihre politische Auffassung zu einer bevorstehenden oder erfolgten Rechtsänderung kundzutun. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind bereits Äußerungen, die den Anschein allgemeinpolitischer Stellungnahmen erwecken, unzulässig. Daher erscheint es nur schwer vorstellbar, dass sich die Kommunalvertretungen im Rahmen ihrer Kompetenzen schon vor der Verabschiedung der Freihandelsabkommen mit kommunalen Anpassungen befassen dürfen, die erst nach der Verabschiedung der Abkommen möglicherweise notwendig werden.

Im Hinblick auf die Behandlung von Anträgen zur Tagesordnung, die außerhalb der gemeindlichen Zuständigkeit liegen, gilt folgende Verfahrensweise: Das Kommunalrecht einiger Bundesländer regelt ausdrücklich, dass nur solche Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung gesetzt werden dürfen, die zum Aufgabengebiet des Gemeinderates bzw. der Gemeinde gehören (so etwa § 34 Absatz 1 Satz 5 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg; § 56 Absatz 1 Hessische Gemeindeordnung). Der Bürgermeister (oder sonstige Vorsitzende des Gemeindesrates) hat in diesen Fällen ein materielles Vorprüfungsrecht im Hinblick auf die Verbands- und Organkompetenz und eine korrespondierende Vorprüfungspflicht.

In Ländern, in denen eine solche Regelung nicht besteht, verneint die Rechtsprechung ein solches materielles Vorprüfungsrecht des Bürgermeisters. Er muss Beratungsgegenstände, wenn sie in Erfüllung der kommunalrechtlichen Quoren von den Ratsmitgliedern beantragt werden, daher auf die Tagesordnung setzen. Mangels Befassungskompetenz ist der Gemeinderat zur Vermeidung rechtswidrigen Handelns aber verpflichtet, einen von der Verbandskompetenz nicht gedeckten Tagesordnungspunkt nach Eröffnung der Gemeinderatssitzung von der Tagesordnung abzusetzen.

4. Rechtslage im Hinblick auf die Kreistage

Im Gegensatz zu den Gemeinden haben Landkreise als Gemeindeverbände im Sinne des Artikel 28 Absatz 2 Satz 2 GG keinen originären verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgabenbereich. Artikel 28 Absatz 2 Satz 2 GG gewährleistet ihnen zwar ebenso wie den Gemeinden das Selbstverwaltungsrecht. Dieses können sie aber nur „im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches“ ausüben. Anders als bei den Gemeinden beschreibt das Grundgesetz den Aufgabenbestand also nicht selbst, sondern überantwortet dies dem Gesetzgeber, der den Landkreisen – um deren verfassungsrechtliches Selbstverwaltungsrecht nicht zu konterkarieren – allerdings einen Mindestbestand an kreiskommunalen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zuweisen muss.

Ebenso wie für die Gemeinderäte gilt auch für die Kreistage, die Verwaltungsorgane der Landkreise und keine Parlamente sind, dass deren Organkompetenz nicht weiter reichen kann als die Verbandskompetenz der Selbstverwaltungskörperschaft, der sie angehören. Das bedeutet, dass sich der Kreistag nur mit solchen Angelegenheiten befassen darf, die den Landkreisen durch Gesetz zugewiesen sind. Im Hinblick auf den Abschluss von Freihandelsabkommen finden sich keine gesetzlichen Aufgabenzuweisungen an die Landkreise.

5. Fazit

Weder den Gemeinderäten noch den Kreistagen stehen Befassungs- oder Beschlusskompetenzen im Hinblick auf eine politische Erörterung oder Bewertung der geplanten Freihandelsabkommen zu.“

Rundschreiben des Deutschen Städtetages vom 17. März 2015

„Sehr geehrte Damen und Herren,
der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat auf Grundlage eines Kurzgutachtens die Frage aufgeworfen, welche Befassungs-und Beschlusskompetenzen die Kommunalvertretungen im Hinblick auf geplante Internationale Freihandelsabkommen haben und diese verneint. Die Ergebnisse dieses Kurzgutachtens sind in dem Infobrief „Befassung- und Beschlusskompetenz der Kommunalvertretung im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen“ vom 11. Februar 2015 dargelegt, der als Anlage beigefügt ist.

Nach unserer Auffassung ist die dort vertretene Rechtsauffassung unzutreffend.

Hintergrund für die in dem beigefügten Infobrief der Wissenschaftlichen Dienste behandelten Rechtsfragen sind die zahlreichen Resolutionen aus den Stadt- und Gemeinderäten sowie den Kreistagen der Kommunen, die auch dem Deutschen Städtetag sowie den anderen kommunalen Spitzenverbänden zugegangen sind. Die Wissenschaftlichen Dienste gelangen in dem Ergebnis zu der Auffassung, dass weder den Gemeinderäten noch den Kreistagen Befassungs- oder Beschlusskompetenzen im Hinblick auf eine politische Erörterung oder Bewertung der Freihandelsabkommen zustehen.

Der Infobrief der Wissenschaftlichen Dienste behandelt nicht nur das europäisch-kanadische Abkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) und das Dienstleistungsabkommen TiSA (Trade in Services Agreement), sondern auch das derzeit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten verhandelte Abkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership).

Die Gründe für die zahlreichen Resolutionen sind die Befürchtungen, dass der Abschluss dieser Freihandelsabkommen u.a. in die kommunale Organisationsfreiheit bei der Daseinsvorsorge wie Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Öffentlicher Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser, Kultur usw. eingreift und die Durchführung dieser Dienstleistungen in erheblichem Maße beeinträchtigt. Deshalb wurde zu diesen Themen sowie den Themen öffentliches Beschaffungswesen und Wettbewerbsrecht, Investorenschutz, Erhaltung der Schutzstandards im Umwelt- und Verbraucherschutz im Oktober 2014 ein gemeinsames Positionspapier der kommunalen Spitzenverbände und dem Verband kommunaler Unternehmen veröffentlicht.
 
Dieses kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden:
http://www.staedtetag.de/fachinformationen/wirtschaft/index.html
 
Die Verfasser dieses Papiers fordern darin die Verhandlungsführer auf, den ausreichenden Schutz dieser Punkte zu gewährleisten.

Die Befassungs- und Beschlusskompetenz der Kommunen lässt sich nach unserer Auffassung wie folgt begründen:

Gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wird das Recht der Kommunen gewährleistet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Hinsichtlich dieser Angelegenheiten besteht eine Allzuständigkeit der Kommunen. Zu den durch die Gemeinden wahrgenommenen Aufgaben gehören neben den Auftragsangelegenheiten bzw. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, die freiwilligen und pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten. Diese werden den Gemeinden unmittelbar durch das Grundgesetz zugesichert. Allerdings ist dabei zu beachten, dass sich diese nur auf örtliche Angelegenheiten erstreckt und damit räumlich begrenzt sind.

Insofern kommt es bei der Beantwortung der Frage nach der bestehenden Beschluss- und Befassungskompetenz für die Resolution zu dem Freihandelsabkommen darauf an, ob diese Angelegenheiten räumlich begrenzt sind.

Das Bundesverfassungsgesetz hat sich in seinem Rastede-Beschluss (BVerfGe 79, 127, 151) mit dieser Frage befasst und eine Definition der Bedürfnisse und Interessen vorgenommen, die „in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben“ und den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und –wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen. Damit zählt zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht die Befassung der Gemeinde mit allgemeinen politischen Fragen, auch wenn es sich hierbei lediglich um „appellative“ oder „symbolische“ Entschließungen handelt.

Als eine derartige symbolische Entschließung stufte das Bundesverwaltungsgericht kommunale Erklärungen zur „atomwaffenfreien Zone“ ein. In derartigen Fällen kann der spezifische örtliche Bezug auch nicht durch die Klarstellung der Gemeindevertretung, nur für die eigene Gemeinde sprechen zu wollen, hergestellt werden. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts könnte sich auf diese Art und Weise jede Kommune unter dem Schutzmantel der kommunalen Selbstverwaltung zu politischen Fragen äußern, die nicht in ihren Kompetenzbereich fallen.

Mit dieser Argumentation verneint auch der Wissenschaftliche Dienst den spezifischen Ortsbezug auf die Freihandelsabkommen mit der Begründung, dass die Abkommen im ganzen Bundesgebiet gelten und damit jede Gemeinde im gleichen Maße betroffen sei.

Diese Auffassung ist allerdings nach unserer Auffassung nicht zutreffend. Vielmehr haben die geplanten Freihandelsabkommen Auswirkungen auf das jeweilige Gemeindegebiet der beschlussfassenden Gemeinde.
Dieses ist mit Blick auf die befürchteten Einschränkungen hinsichtlich der kommunalen Organisationshoheit bei der Daseinsvorsorge regelmäßig zu bejahen. Die sich möglicherweise ergebenden Marktzugangsverpflichtungen im Rahmen von Freihandelsabkommen wirken sich, wie bereits erwähnt, auf die Erbringung typisch kommunaler Dienstleistungen, wie die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, den regelmäßig kommunal organisierten und durchgeführten Öffentlichen Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen oder Krankenhäuser aus.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist zwar nicht absehbar, wie sich die Ausgestaltung des Freihandelsabkommen letztendlich vollziehen wird. Gleichwohl steht aufgrund des am 26.09.2014 veröffentlichten Entwurfs des konsolidierten Textes zu CETA zu befürchten, dass sich aus einer zumindest nicht auszuschließenden Liberalisierung konkrete Auswirkungen auf das jeweilige Gemeindegebiet oder kommunalgetragene Unternehmen ergeben können. Eine ähnliche Einschätzung lässt sich - ebenfalls unabhängig davon, dass der derzeitige Verhandlungsstand eine kommunalverträgliche Regelung erwarten lässt - auch im Hinblick auf die Anwendung von Stillstands- und Ratchetklauseln festhalten, mit den bestehende Liberalisierungsniveaus nicht verändert werden können und das jeweils höchste Liberalisierungsniveau zum Standard erklärt wird. In diesem Bereich bestand, ob zu Recht oder zu Unrecht bleibt noch abzuwarten, die Befürchtung, dass die mögliche Rekommunalisierung von Daseinsvorsorgeeinrichtungen, wie sie aktuell im Bereich der Energieversorgung bzw. in der Vergangenheit auch im Bereich der Abfallwirtschaft vollzogen wurden, künftig ausgeschlossen sein könnten und damit kommunale Handlungsspielräume auch konkret vor Ort beschränkt werden.
Daraus ergibt sich nach unserer Auffassung, dass zumindest mit Blick auf die kommunale Daseinsvorsorge durchaus ein örtlicher Bezug herstellbar ist.

Das Gleiche hat auch für die europäischen Vergabe- und Konzessionsregeln zu gelten, die mit Blick sowohl auf die Wasserversorgung wie auch das Rettungswesen im europäischen Rahmen Ausnahmen vom Vergaberecht vorsehen. Würden die angesprochenen Bereiche ebenfalls den Regeln des Vergaberechts unterworfen. So bedeutete das eine erhebliche Betroffenheit der betroffenen Kommunen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln. Dieses Ergebnis stimmt auch mit der Auffassung des Erlasses des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11.12.2014 überein, in dem klargestellt wird, dass eine Befassungskompetenz der Räte und Kreistage im Einzelfall gegeben ist.

Darüber hinaus spricht das Gutachten den Kommunen das Recht ab, sich im Vorfeld mit möglichen Auswirkungen von Freihandelsabkommen zu befassen. Es kommt zu dem Ergebnis, dass eine Befassungskompetenz erst dann gegeben sei, wenn durch die Kommunen Entscheidungen als Folge des Abkommens auf dem Gebiet der kommunalen Aufgabenwahrnehmung getroffen werden. Es sei nur „schwer vorstellbar, dass sich die Kommunalvertretung im Rahmen ihrer Kompetenzen schon vor der Verabschiedung der Freihandelsabkommen mit kommunaler Anpassung befassen dürfen, die erst nach der Verabschiedung der Abkommen möglicherweise notwendig werden“.

Da das Bundesverwaltungsgericht in der angesprochenen Entscheidung aus dem Jahr 1990 zur Lagerung von Atomwaffen entschieden hat, dass ein spezifischer Ortsbezug, wie ihn das Bundesverfassungsgericht fordert, bereits dann gegeben sei, wenn sich eine Kommune lediglich vorsorglich und ohne unmittelbaren Anlass mit der entsprechenden Frage befasst, ist den Kommunen auch eine antizipatorische Äußerung im Sinne einer vorausschauenden Vorsorge möglich.

Aus dieser Auffassung ergibt sich, dass insbesondere bei einer vorsorglichen Entscheidung eine Befassung durch die Kommunen rechtmäßig ist.

In der Anhörung des Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags zu Freihandelsabkommen am 16.03.2015 hat der Unterzeichner darauf hingewiesen, dass wir die Rechtsauffassung des wissenschaftlichen Dienstes nicht teilen.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat uns im Schreiben vom 19. März 2015 mitgeteilt, dass er sowohl in der Sache ein generelles formelles Befassungsverbot von Kommunalvertretungen im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen für rechtlich nicht haltbar und zudem auch für politisch nicht zielführend erachtet.

Wir teilen die Auffassungen des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in dieser Angelegenheit vollumfänglich.

Damit hält auch der Städte- und Gemeindebund Brandenburg e.V. eine Befassungs- und Beschlusskompetenz der Kommunalvertretungen im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen für gegeben, wenn ein spezifischer Ortsbezug, wie ihn das Bundesverfassungsgericht fordert, hergestellt werden kann.

Bei den in Diskussion befindlichen Freihandelsabkommen mit befürchteten Auswirkungen auf die Erbringung typisch kommunaler Dienstleistungen, wie die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, den regelmäßig kommunal organisierten und durchgeführten Öffentlichen Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen oder Krankenhäuser halten wir daher eine Befassungskompetenz der Kommunalvertretungen zweifelsfrei für gegeben.

Sebastian Kunze, Referatsleiter

Az: 800-00 

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