Mitteilungen 07/2013, Seite 216, Nr. 120
Einigung über die 8. GWB-Novelle: Keine kartellrechtliche Missbrauchsprüfung über öffentliche Gebühren!
Der Vermittlungsausschuss hat sich auf einen Kompromiss über die Achte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geeinigt. Künftig soll ausdrücklich gesetzlich klargestellt werden, dass öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge nicht der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle unterliegen. Damit wurde einer zentralen Forderung des Deutschen Städte-und Gemeindebundes entsprochen, der sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auch der Bundesrat anschloss. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßt diesen Kompromiss ausdrücklich. Die zum Schutz der kommunalen Wasserversorgung notwendige Trennung zwischen privatrechtlichen Preisen und öffentlich-rechtlichen Gebühren wird nunmehr ausdrücklich festgeschrieben.
Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag hat sich auf ein gemeinsames Ergebnis über die 8. GWB-Novelle einigen können. Nachdem die Beratungen zu dem Gesetzentwurf bereits dreimal vertagt wurden, haben sich Bund und Länder nun auf einen Kompromiss zur Entgeltkontrolle der kommunalen Wasserversorgung, über die Fusionskontrolle im Bereich der Krankenkassen und der Presseverlage verständigt.
Ausschluss der kartellrechtlichen Kontrolle über öffentlich-rechtliche Gebühren
Der Vermittlungsausschuss hat eine gesetzliche Klarstellung darüber beschlossen, dass öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge künftig nicht der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle unterliegen. Der Vermittlungsausschuss schloss sich damit dem Votum der Länder an.
Durch die gesetzliche Klarstellung wird nun ausdrücklich zwischen der kartellrechtlichen Entgeltkontrolle der privatrechtlich organisierten Wasserversorgung auf der einen und der rechtlichen Kontrollmöglichkeiten der Entgeltbildung bei der öffentlich-rechtlichen Wasserversorgung differenziert. Die Kommunen haben damit künftig weiterhin die Wahl zwischen den Entgeltmodellen.
Hintergrund
Im Bereich der kommunalen Wasserversorgung hat der Gesetzgeber grundsätzlich zwei Entgeltmodelle für kommunale Leistungen der Daseinsvorsorge geschaffen: Preise und Gebühren. Diese stehen selbständig nebeneinander und unterliegen unterschiedlichen Kontrollsystemen. Wesentliche kommunale Dienstleistungen unterliegen dem durch die Länder zu regelnden Gebührenrecht und damit der Kommunalaufsicht. Dagegen unterliegen privatrechtliche Preise grundsätzlichen der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle. Den Kommunen obliegt demnach die Auswahl des jeweiligen Entgeltmodells.
Über die Frage nach der kartellrechtlichen Behandlung öffentlich-rechtlich ausgestalteter Gebühren wurde in der Vergangenheit trotz dieser rechtlichen Ausgangslage gestritten.
Ausgangspunkt hierfür war eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung „Niederbarnim“ vom 18.10.2011 (Az.: KVR 9/11), in der ausgeführt wurde, dass es denkbar sei, dass auch öffentlich-rechtlich organisierte Leistungsbeziehungen von Kommunen zu Bürgern einer Kontrolle nach dem GWB unterliegen. Dies könne vor allem dann der Fall sein, wenn die öffentlich-rechtliche und die privatrechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehung weitgehend austauschbar seien.
Die Bundesregierung beabsichtigte in dem 8. Änderungsgesetzesentwurf des GWB, die für die öffentliche Trinkwasserversorgung fortgeltenden Regelungen des alten Kartellrechts (GWB 1990) hinsichtlich ihres Regelungsgehalts 1:1 in die GWB-Novelle zu übernehmen und keine inhaltlichen Änderungen beabsichtigt sein. In der Gesetzesbegründung wurde ungeachtet dessen vorgesehen, dass der Anwendungsbereich auf öffentlich-rechtliche Wasserversorger, deren Leistungsbeziehungen zu den Kunden auf Grundlage von Gebühren gestaltet sind, erstreckt werden soll.
Auch die Monopolkommission und das Bundeskartellamt forderten eine Ausdehnung der preisrechtlichen Missbrauchskontrolle auf öffentlich-rechtliche Gebühren und eine entsprechende gesetzliche Klarstellung.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund ist zusammen mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Verband kommunaler Unternehmen dieser Intention mehrfach entgegengetreten und hat darüber hinaus die Aufnahme einer Regelung in die GWB-Novelle gefordert, die eine kartellrechtliche Missbrauchskontrolle in Bezug auf öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge und eine Ausweitung kartellrechtlicher Zuständigkeiten auf die öffentlich-rechtlichen Wasserversorger ausdrücklich ausschließt. Der Bundesrat hat diese Forderung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen und in seiner Plenumssitzung im Mai 2012 eine solche Regelung als Empfehlung an die Bundesregierung formuliert. Diese Forderung wurde auch weiter vertreten und konnte sich nun in der vierten Beratung des Vermittlungsausschusses über das Gesetz durchsetzen.
Anmerkung
Das Ergebnis ist aus kommunaler Sicht ausdrücklich zu begrüßen. Eine Ausdehnung des Kartellrechts auf Gebühren hätte massive Einschnitte in die kommunale Leistungserbringung und Gestaltungshoheit bedeutet. Betroffen gewesen wäre nicht nur die öffentlich-rechtliche Wasserversorgung, sondern darüber hinaus auch klassische kommunale Aufgaben im sozialen und kulturellen Bereich wie z.B. Kindertagesstätten und Bibliotheken genauso wie zentrale Versorgungsleistungen.
Das bestehende an der Kostendeckung orientierte System der Gebührenermittlung in der öffentlichen Wasserversorgung, kontrolliert durch die Kommunalaufsicht und die Verwaltungsgerichte, hat sich seit Jahrzehnten bewährt, ist transparent und unterliegt auch der Zustimmung der von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählten kommunalen Vertretungskörperschaften. Deshalb gibt es kein Erfordernis, dies in Frage zu stellen und sogar die Gesetzgebungskompetenz der Länder durch zusätzliche Kompetenzen anderer Institutionen oder Behörden, wie z.B. dem Bundeskartellamt, zu ergänzen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat mehrfach deutlich gemacht, dass Wasser kein handelbares Wirtschaftsgut ist wie jedes andere, sondern ein Lebensmittel, welches einer sorgsamen Behandlung bedarf.
Durch die gesetzliche Klarstellung wird nun ausdrücklich zwischen der kartellrechtlichen Entgeltkontrolle der privatrechtlich organisierten Wasserversorgung auf der einen und der rechtlichen Kontrollmöglichkeiten der Entgeltbildung bei der öffentlich-rechtlichen Wasserversorgung differenziert. Die Kommunen haben damit künftig weiterhin die Wahl zwischen den Entgeltmodellen.
(Quelle: DStGB Aktuell 2313)
Az: 910-10