Korruptionsprävention in kleineren Kommunen


Bürgerschaftliches Engagement

Gerade in kleineren Gemeinden ist ein erfreulich hohes bürgerschaftliches Engagement feststellbar. Dies kommt nicht nur durch ein hohes Maß an Anteilnahme am Gemeindegeschehen, sondern auch durch eine freiwillige Übernahme von Bauaufgaben für den Ort oder eine öffentliche Einrichtung zum Ausdruck. Beispiele sind etwa die Erweiterung eines Feuerwehrgerätehauses durch die Kameraden der Feuerwehr, die Renovierung von Schul- oder Kitaräumen durch Eltern oder die Sanierung eines Sportplatzes in Selbsthilfe des Sportvereins. In vielen Bereichen sind freiwillige Leistungen der Gemeinde oder die Repräsentation der Gemeinden ohne Sponsoren aus der Wirtschaft nicht mehr denkbar. Neuerdings gewinnt speziell im Land Brandenburg sogar der vollständig durch die Anlieger finanzierte Ausbau von Straßen an Bedeutung. Die Initiativen der Bundesländer zur Bewältigung des demografischen Wandels machen deutlich, dass eine Fortsetzung dieses Trends verstärkt werden soll und die Übernahme weiterer bislang öffentlicher Aufgaben durch die Bürgerschaft allein oder in Kooperation mit (privaten) Unternehmen an Bedeutung gewinnen wird. Dies zeigt etwa der 2. Demografiebericht der Landesregierung Brandenburg bzw. der ergänzende Werkstattbericht.

Früher oder später stellt sich unweigerlich die Frage, ob aus der erwünschten engen Kooperation Vermischungen oder unverträgliche Abhängigkeiten des Verwaltungshandelns wachsen und die Schwelle zur strafbaren Korruption überschritten wird.

Präventionskonzepte für Bundes- und Landesverwaltung

Vor dem Hintergrund spektakulärer Korruptionsfälle wurde in den letzten Jahren auch in Deutschland der Korruptionsprävention und -bekämpfung hohe Aufmerksamkeit zu Teil. Erscheinungsformen der Korruption wurden analysiert und verschiedene Präventionskonzepte entwickelt. Für Landes- und Bundesverwaltung wurden Richtlinien eingeführt, die zum Teil den Kommunen zur entsprechenden Anwendung empfohlen sind.

Empfehlungen für Kommunen

Kommunale Spitzenverbände haben Empfehlungen für ihre Mitglieder erarbeitet. Besonders hervorzuheben ist die Dokumentation „Korruptionsprävention bei der öffentlichen Auftragsvergabe“ des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Die dort beschriebenen Maßnahmen sind von dem kommunalen Spitzenverband in einem 10-Punkte-Katalog zusammengefasst.

Kleine Verwaltungen benötigen angepasste Maßnahmenpakte

Viele der für Großverwaltungen entwickelten Instrumente lassen sich in kleinen Kommunalverwaltungen mit teilweise weniger als 20 Beschäftigten nur sehr schwer oder gar nicht sinnvoll umsetzen. Dies betrifft etwa die regelmäßige Personalrotation, die durchgehende organisatorische Trennung von Aufgabenbereichen, die Einrichtung einer zentralen Vergabestelle oder ein durchgängiges Vier-Augen-Prinzip. Es stellt sich daher die Frage, wie die Verwaltung unter Wahrung des bürgerschaftlichen Engagements vor Korruptionsangriffen geschützt werden kann. Dies ist nur durch ein örtlich angepasstes Maßnahmenbündel erreichbar, wobei zunächst auf die eingeführten Präventionsmaßnahmenkataloge zurückgegriffen werden kann.

Kontinuierliche Sensibilisierung der Mitarbeiter hat zentrale Bedeutung

Wegen der Umsetzungsschwierigkeiten der oben genannten Instrumente kommt der kontinuierlichen Sensibilisierung der Mitarbeiter die zentrale Bedeutung zu: Mitarbeiter sind regelmäßig mit dem Thema zu befassen. Dazu gehört es, die einschlägigen Straftatbestände auch in Bezug auf die jeweiligen Tätigkeitsbereiche der Beschäftigten zu erläutern. Auch die Annahme von Vorteilen bei pflichtmäßigem Handeln kann den Straftatbestand der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) erfüllen. Es sind die Tatbestände einzubeziehen, die die „Kundenseite“ der Verwaltung betreffen. Schon das Anbieten von Vorteilen für eine rechtmäßige Dienstausübung kann Straftatbestände erfüllen (vgl. § 333 Abs. 1 StGB). Zugleich sollten die Beschäftigten über typische Täterprofile und -strategien sowie die einschlägigen Indikatoren für Korruption geschult werden. Die Mitarbeiter müssen in die Lage versetzt werden, strukturelle „Anfütterungsversuche“ rechtzeitig zu erkennen und diesen angemessen entgegenzutreten. Sie müssen von Anfang an davor geschützt werden, sich in Abhängigkeiten zu verstricken. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Annahme von Geschenken oder Bewirtungen erörtert. Selbstverständlich ist ein Verbot, Geldgeschenke anzunehmen. Aber auch der Umgang mit Massenwerbeartikeln, Einladungen zu „Mandantenseminaren“ oder Angeboten zu kostenlosen Messebesuchen und Genehmigungspflichten sollte eindeutig geklärt werden. Zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten wird zum Teil ein vollständiger Verzicht auf Geschenke befürwortet. Dies sollte in einer Dienstanweisung zur Korruptionsprävention entschieden werden. Den Mitarbeitern muss auch von Anfang an deutlich gemacht werden, welche persönlichen Konsequenzen bei der Verwirklichung von Korruptionsdelikten zu erwarten sind. Die Einwerbung von Sponsoren und der Umgang mit Drittmitteln oder Zuwendungen sollte ebenfalls in der Dienstanweisung geregelt werden. Es sollte aufgezeigt werden, für welche Bereiche ein Sponsoring erwünscht, und wer zur Einwerbung befugt ist. Dabei kann es hilfreich sein, die in der Gemeinde regelmäßig vorkommenden Anlässe ausdrücklich anzusprechen. Ferner ist ein Verfahren zu verankern, welches Transparenz für Zuwendungen und bürgerschaftliches Engagement schafft.

Leitbildfunktion der Verwaltungsspitze

Bei der Umsetzung einer Präventionsstrategie kommt gerade in kleineren Gemeinden der Verwaltungsspitze eine zentrale Leitbildfunktion zu. Von ihrem Auftreten hängt es ab, wie sich die übrigen Mitarbeiter verhalten. Die Verwaltungsspitze sollte den Mitarbeitern in Korruptionsfragen auch als vertrauensvoller Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Sie ist auch Ansprechpartnerin für Staatsanwaltschaft und andere Dienststellen. Die Schaffung von Korruptionsbeauftragten ist in kleinen Gemeinden nicht sachgerecht. Die Verwaltungsleitung hat die Voraussetzungen für regelmäßige Kontrollen zu schaffen und Anzeichen für Korruption nachzugehen. Dabei kommt auch der Rechnungsprüfung eine besondere Bedeutung zu.

Ausgelagerte Verwaltungstätigkeiten

Nicht nur in kleineren Gemeinden sind viele Verwaltungstätigkeiten an freie Büros oder Unternehmen vergeben. Dies betrifft z.B. die Vorbereitung von Bauausschreibungen oder die Vorbereitung der Bauleitplanung. Die beauftragten Büros sind in gleicher Weise wie die Verwaltung Korruptionsangriffen ausgesetzt, unterliegen aber keiner vollständigen Kontrolle der Gemeinde. Sie sind daher in die Präventionsstrategie der Gemeinde unbedingt einzubeziehen. Mit den Unternehmen sind präventive Maßnahmen zu vereinbaren (z.B. Meldepflicht von Korruptionsversuchen, Beachtung der gemeindlichen Korruptionsrichtlinien, Eigenerklärungen, Sonderkündigungsrechte der Gemeinde bei Verletzung einschließlich Vertragsstrafen). Bei langfristigen oder sich wiederholenden Beauftragungen sollte das Büro darauf hingewiesen werden, dass es als Täter von Amtsdelikten wie Angehörige der Verwaltung in Frage kommen kann. Zudem muss die Verwaltung den Fachverstand vorhalten, die Arbeit der beauftragten Büros zu kontrollieren und dies regelmäßig tun. Ähnliches gilt für die kommunalen Unternehmen. Hier kann die Gemeinde ihre Rechte als Gesellschafterin einsetzen bzw. über ihre Vertreter im Aufsichtsrat Korruption entgegenwirken.

Elektronische Vergabesysteme

Einen guten Schutz vor Korruptionsversuchen und Manipulation bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bieten auch die an Bedeutung gewinnenden elektronischen Vergabesysteme. Zum Teil wird ihre Nutzung für Auftraggeber kostenfrei angeboten. Die Systeme sind so komfortabel eingerichtet, dass sie nach kurzer Einarbeitung sinnvoll genutzt werden können.

Anwendung des öffentlichen Vergaberechts

Einem Zielkonflikt sind die Kommunen bei der Frage der Anwendung der Vorschriften des öffentlichen Vergaberechts ausgesetzt: Einerseits wirkt die Formstrenge Manipulationen entgegen. Andererseits werden oft zu Recht die Förmlichkeiten als zu bürokratisch kritisiert und Vereinfachungen des Vergaberechts eingefordert. Mehrere Bundesländer haben versucht, dem durch Gestattung von hohen Wertgrenzen für Beschränkte Ausschreibungen Rechnung zu tragen. Ein Instrument zur Transparenz der Vergabepraxis stellen kommunale Vergabeberichte dar, in denen jährlich die berücksichtigten Anbieter und Vergabebeschwerden genannt werden.

Gemeindevertretung einbeziehen

Die Gemeindevertretung als oberstes Sachentscheidungsorgan der Gemeinde ist in die Präventionsstrategie der Gemeinden einzubeziehen. Ihr sollten abgestimmte Schulungsangebote unterbreitet werden. Die Vertretung ist auf zwei Ebenen berührt:
So fungiert die Gemeindevertretung als Kontrollorgan der Verwaltung. Dabei muss sie auch die Korruptionsprävention im Blick haben. Ihr stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann bei der Ausübung der Kontrollfunktion sogar Akteneinsicht genommen werden.
Zum anderen sind von der Vertretung für die Gemeinde bedeutsame Sachentscheidungen zu treffen. Zu denken ist etwa an Beschlüsse über die Bauleitplanung (z.B. die Ausweisung von Windeignungsgebieten im Flächennutzungsplan) oder die Verkäufe von Liegenschaften. Gemeindevertreter werden von betroffenen Bürgern häufig wegen persönlicher Anliegen angesprochen. Hier kommt es darauf an, jedem Anschein der Beeinflussbarkeit entgegenzuwirken. Einen gewissen Schutz für die Gemeindevertreter bietet die konsequente Anwendung der Vorschriften der Gemeindeordnung über die Befangenheit.

Resümee

Es bleibt festzuhalten: In kleineren Gemeinden sind die eingeführten Maßnahmenkataloge nur eingeschränkt umsetzbar. Die Sensibilisierung der Beschäftigten und der Vertretungskörperschaft stellt hier ein wichtiges Mittel dar, Korruption entgegenzuwirken. Dies dient zugleich dem Schutz der Beschäftigten und aller anderen Beteiligten. Der Verwaltungsleitung kommt daneben eine zentrale Leitbildfunktion zu.

Jens Graf, Referatsleiter

Az: 601-00