2. Autobahnkonferenz erfolgreich durchgeführt

Zu der zum zweiten Mal durchgeführten Autobahnkonferenz trafen sich über 100 Vertreter autobahnnaher Kommunen am 21. März 2011 in Ludwigsfelde. Dabei konnten auch wieder Gäste aus Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen begrüßt werden.

Dem Auftrag der ersten Autobahnkonferenz in Rüdersdorf bei Berlin folgend stellte Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg, ein kommunales Thesenpapier zum Lärmschutz an Autobahnen vor. Darin werden u. a. ein stärkeres Mitspracherecht hinsichtlich der Maßnahmen der Straßenbaulastträger und eine verbindliche Förderung von Maßnahmen aus Lärmaktionsplänen gefordert. Weiterhin sollten die verschiedenen Berechnungsmethoden und Grenzwerte vereinheitlicht werden und auf die Lärmsanierung soll es einen gesetzlichen Anspruch geben. Soweit die Straßenbaulastträger die in einem Lärmaktionsplan beschlossenen Lärmminderungsmaßnahmen nicht selber umsetzen, sind den Kommunen hierfür finanzielle Mittel (gegebenenfalls aus der Maut) zur Verfügung zu stellen. Auch die Geschwindigkeitsbeschränkungen in Siedlungsbereichen wurden angesprochen. Gerade hierbei wurden die Forderungen nach Geschwindigkeitsminderungen, allerdings mit Augenmaß, erhoben (120 km/h tags und nachts 100 km/h für Pkws und 60 km/h für Lkws). Beim Neubau und beim Ausbau von Bundesautobahnen ist den vorhandenen Lärmaktionsplänen besonderes Gewicht beizumessen. Der Vorhabenträger soll alle Lärmschutzmaßnahmen mit den  betroffenen Gemeinden erörtern und ihnen die Möglichkeit geben, die aus ihrer Sicht sinnvollste Lösung darzustellen. Auch die bereits seit Jahren geforderte Umverteilung von Transprten von der Straße auf die Schiene und auf die Wasserwege soll weiter vorangetrieben werden. Die Industrie wird aufgefordert, gerade im Bereich der Autoreifen geräuschärmere Reifen zu entwickeln.

Die Ausführungen von Karl-Ludwig Böttcher wurden von Herrn Prof. Dr. Koziol, Vizepräsident der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, ergänzt. Dieser hatte sich dankenswerter Weise bereit erklärt, das Papier aus Sicht der Wissenschaft zu bewerten. Er kam dabei zu einem durchweg positiven Ergebnis, machte aber auch deutlich, dass sich nach seiner Einschätzung einige Forderungen nur schwer umsetzen lassen würden. Ergänzend wies er darauf hin, dass im Thesenpapier noch keine Aussagen zum Verhältnis von kommunaler Bauleitplanung und Autobahnen getroffen werden. Gerade in diesem Bereich hätten aber die Städte und Gemeinden große Einflussmöglichkeiten. Sie müssen darauf achten, dass Wohnungsbauprojekte nicht in unmittelbarer Nähe von Autobahn geplant würden. Hierbei gilt es, intelligente Lösungen zu finden, etwa indem man zwischen Wohnbebauung und Autobahn Gewerbeflächen ausweist.

Nach einer kurzen Diskussion im Anschluss wurde das Thesenpapier einstimmig bei zwei Enthaltungen angenommen. Dabei soll es mit dem von Prof. Dr. Koziol angesprochenen Punkt der Einflussmöglichkeiten im Rahmen der Bauleitplanung ergänzt werden.

Ein Highlight der Veranstaltung war die Gründung einer kommunalen Interessengemeinschaft zum Lärmschutz an Autobahnen. Die symbolische Unterzeichnung der Gründungsurkunde von den Bürgermeistern von Ludwigsfelde, Rüdersdorf bei Berlin und Hermsdorf fand unter der Autobahnbrücke von Ludwigsfelde statt. Umrahmt wurde die Veranstaltung von über 300 Schülern einer nahe gelegenen Grundschule, die darauf aufmerksam machen wollten, dass auch sie betroffen sind.

Bürgermeister Frank Gerhard wollte es aber nicht nur bei dieser Demonstration belassen, sondern er versprach, dass er gerne mit den Schülern in ihrem Unterricht über das Thema Lärmschutz im Allgemeinen und das verabschiedete Thesenpapier im Speziellen sprechen wird.  Im Nachhinein lässt sich feststellen, dass es wohl keinen geeigneteren Ort für die Gründung einer solchen Interessengemeinschaft gegeben hätte.

Zu Sprechern der Interessengemeinschaft wurden Bürgermeister André Schaller, Rüdersdorf bei Berlin, und Bürgermeister Gerd Pillau, Hermsdorf/Thüringen, gewählt. Die Interessengemeinschaft soll sich auch zukünftig des Themas Lärmschutz an Autobahnen widmen. Als Arbeitsgrundlage soll hierbei das Thesenpapier dienen, welches kontinuierlich weiterentwickelt wird. Bürgermeister André Schaller machte in einem ersten Statement deutlich, dass die Interessengemeinschaft vor allem auch Ansprechpartner für die Politik sein will, aber von dieser auch erwartet, einbezogen zu werden.

Ein weiteres Ziel der Autobahnkonferenz war es, die Handlungsträger in der Landespolitik und der Kommunalpolitik zusammenzubringen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Besonders erfreulich war deshalb, dass die zuständigen Fachminister des Landes Brandenburg am 2. Teil der Veranstaltung teilnahmen und sich den Fragen der Teilnehmer gestellt haben.

Den Anfang machte dabei der Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, Herr Jörg Vogelsänger, der in seinem Vortrag darauf hinwies, dass Lärmschutz immer stärker in den öffentlichen Fokus tritt. Dabei sei jedoch auch auf den rechtlichen Rahmen zu achten, nach dem die Länder nur Auftragsverwalter des Bundes sind. Gerade in Zeiten knapper Kassen sind deshalb neue innovative Lösungen nötig. Als Beispiel nannte er hier das Projekt Lärmschutzwände mit Fotovoltaikanlagen, welches gerade am Berliner Ring im Bereich von Michendorf entwickelt wird. Hierbei sollen die Lärmschutzwände mit Fotovoltaikanlagen aufgestockt werden, welche von privaten Dritten finanziert und betrieben werden sollen. Diese könnten dann durch die Einspeisung des Stromes ihre Investitionen refinanzieren. Der Vortrag wurde vom Vorstandsvorsitzenden des Landesbetriebes für Straßenwesen, Herrn Heinz-Reinhard Reuter, fortgesetzt. Dieser wies u.a. darauf hin, dass man auch im Lärmschutz Kosten nicht außer Acht lassen könne. So koste 1 m² normaler Asphalt derzeit 30 €, für „Flüsterasphalt“ müsse mit 50 € pro Quadratmeter gerechnet werden. Dazu kommt, dass dieser Belag nicht so haltbar ist und zur Aufrechterhaltung der lärmmindernden Eigenschaft eines speziellen Reinigungsverfahrens bedürfe.

Im Anschluss stellten sich Anita Tack, Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Jörg Vogelsänger, Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, Cornelia Jung, Bürgermeisterin Michendorf, André Schaller, Bürgermeister Rüdersdorf bei Berlin und Christian Popp, Geschäftsführender Gesellschafter der Lärmkontor GmbH den Fragen von Karl-Ludwig Böttcher, Städte- und Gemeindebund Brandenburg, und der Konferenzteilnehmer. Dabei war von Frau Ministerin Tack zu erfahren, dass sie die Zuständigkeit für die Aufstellung der Lärmaktionspläne bei den Städten und Gemeinden als richtig angesiedelt sieht. Sie wies dabei insbesondere auf die Planungshoheit, welche auch bei den Städten und Gemeinden liegt, hin. Auch die Zuständigkeit zweier Ministerien für den Lärmschutz und die Lärmaktionsplanung führe zu keinen Problemen. Hier komme es eher zu einer weiteren Motivation zur engen Zusammenarbeit. Herr Minister Vogelsänger teilte diese Einschätzung seiner Kollegin und stellte klar, das eine zusätzliche Finanzierung aus dem Entflechtungsgesetz nicht realistisch sei, da die dort enthaltenen Mittel für die entsprechenden Aufgaben kaum reichen. Herr Popp führte aus, dass insbesondere die Europäische Union im Bereich des Lärmschutzes Rechtsetzung bewirkt. Es gelte daher, sich dort entsprechend einzubringen. Dies war nicht immer der Fall, jetzt sei Deutschland aber in allen wichtigen Arbeitsgruppen vertreten. Er appellierte noch einmal für ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Dann könnten die Hersteller von Fahrzeugreifen auch weichere Gummimischungen verwenden, was zu einer Reduktion der Rollgeräusche führen würde. Frau Jung wurde von Herrn Böttcher gebeten, über das Projekt Lärmschutzwände mit Fotovoltaikanlagen und der Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative in Michendorf zu berichten. Sie teilte mit, dass der Berliner Ring im Raum Michendorf 8-spurig, im Bereich der Anschlussstellen sogar 12-spurig ausgebaut wird. Die Gemeinde fordere hierfür erheblich mehr Lärmschutz. Da diese Forderung auch von einer Bürgerinitiative vertreten wurde, arbeite man eng zusammen. In der Anfangsphase „beäugte“ man sich dabei durchaus skeptisch. Es gelang aber gemeinsam, lärmmindernden Asphalt durchzusetzen. Ernüchternd musste man aber feststellen, dass dafür die Höhe der Lärmschutzwände sank. Man entwickelte deshalb die Idee mit den Fotovoltaikanlagen und würde von Land und Bund sehr ernst genommen. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zusammen mit dem Landesbetrieb für Straßenwesen und der DEGES wird seitdem an der Umsetzung des Projektes gearbeitet. Derzeit wird ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt, in welchem Privatinvestoren gewonnen werden sollen. Herr Schaller wurde vom Moderator mit der Frage der „Freien Fahrt für freie Bürger“ konfrontiert. Er entgegnete, dass es um mehr Einheitlichkeit im Lärmschutz gehe und den Bürgern die Probleme vermittelt werden müssen. Hier wünsche er sich noch mehr Informationen von den zuständigen Straßenbaulastträgern. Außerdem interessiere ihn die Frage, welche Erkenntnisse aus den gesammelten Lärmaktionsplänen gewonnen wurden und wie diese umgesetzt würden.

Aus dem Auditorium wurde darauf aufmerksam gemacht, dass durch die zweite Stufe der Lärmaktionsplanung die Thematik in der Diskussion gehalten werde. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass bauliche Lärmschutzmaßnahmen einen erheblichen Kostenfaktor darstellen und deshalb über Geschwindigkeitsbeschränkungen Lärmschutz realisiert werden sollte.

Herr Bürgermeister Henze aus Neuenhagen zeigte dem Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft auch noch einmal auf, dass es erheblichen Nachholbedarf im Bereich der Unterhaltung von Landesstraßen gebe. Außerdem sollte mehr Verantwortung auf die Städte und Gemeinden, etwa im Bereich der StVO, übertragen werden. Insofern erinnerte er an zeitweise Aufgabenübertragungen nach dem Standarderprobungsgesetz, welche in Dauerrecht überführt werden müssten, so wie es auch immer wieder der Städte- und Gemeindebund Brandenburg fordere, wofür er ausdrücklich dankte. Herr Minister Vogelsänger wies darauf hin, dass nur eine bestimmte Summe im Haushalt zur Verfügung stehe und er deshalb Prioritäten setzen müsse.

Nach der Podiumsdiskussion erläuterte Herr Bürgermeister Pillau, Hermsdorf, wie sich die Stadt gegen den Planfeststellungsbeschluss des Freistaates Thüringen zum Ausbau des Hermsdorf Kreuzes zur Wehr setzt. Er machte dabei deutlich, dass es aufgrund mangelhafter Lärmschutzplanung zu einer starken Betroffenheit in Wohnbereichen des Ortes Hermsdorf käme, wenn die Planung so umgesetzt werden würde. Da das Land bislang nicht eingelenkt habe, verfolge die Stadt Hermsdorf ihre Interessen jetzt im Klagewege. Dabei sei man zuversichtlich, erfolgreich aus dem Klageverfahren hervorzugehen, wie dies schon einmal gelungen sei.

Die letzten Worte gehörten den Sprechern der Interessengemeinschaft. Herr Bürgermeister Schaller stellte dabei fest, dass es jetzt darum gehe, den Verbreitungsgrad der Interessengemeinschaft zu erhöhen. Außerdem erwarte er mit Spannung, wie die Landesregierungen auf das Thesenpapier reagieren und hoffe auf gemeinsame Gespräche mit den zuständigen Ministern. Weiterhin beschäftigt ihn die Frage, ob nicht auch die Bürgerinitiativen sich ähnlich bündeln wollen. Herr Bürgermeister Pillau machte gleich "Nägel mit Köpfen" und lud zu einer Folgeveranstaltung im Frühjahr 2012 nach Hermsdorf ein.