Bildungsarbeit in Kindertagesstätten

I. In Mitteilungen StGB Bbg. 06/2004 S. 170 ff. ist über die Grundsätze elementarer Bildung in brandenburgischen Kindertagesstätten berichtet worden und darüber, dass der Städte- und Gemeindebund Brandenburg diese Empfehlungen des Ministers für Bildung, Jugend und Sport vom 1. Juni 2004 aus sachlich inhaltlichen Gründen nicht vollständig mittragen kann und aus diesem Grunde sowie wegen der Befürchtung etwaiger Folgekosten für seine Mitglieder es abgelehnt hat, in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Minister, die Anwendung dieser Grundsätze den Kommunen zu empfehlen. Der Städte- und Gemeindebund kritisiert an den Grundsätzen elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung insbesondere den mit ihrer Umsetzung verbundenen Verwaltungsaufwand (regelmäßige Beobachtung aller Kinder auf das Vorhandensein von über 22 Fähigkeiten und Dokumentation hierüber), die Raumausstattungsstandards und den Anwendungsbereich mit seiner Erstreckung auch auf schulpflichtige Kinder im Hort.


Der Minister für Bildung, Jugend und Sport hat mit Schreiben vom 24. Februar 2005 an die Oberbürgermeister und Landräte angekündigt, für alle 1.750 Kindertageseinrichtungen im Land Brandenburg eine Handreichung „Elementare Bildung“ bereitstellen zu wollen. Es soll sich um eine zweibändige Loseblattsammlung im DIN A4-Format handeln. Herausgeber soll Herr Ludger Pesch sein, der Autor des Gutachtens, welches Ausgangspunkt der Empfehlungen des Ministeriums „Grundsätze elementarer Bildung“ war.

Insbesondere die Ankündigung des zweiten Bandes „Elementarer Bildung“, der „Handlungskonzept“ genannt wird und von den Autoren Beate Andres und Hans-Joachim Laewen verfasst sein soll, weckt Fragen und Befürchtungen. Nach der Ankündigung in dem Schreiben des Ministers soll dieser Band 2 folgenden Inhalt haben:
- Konzeptioneller Rahmen: theoretische Einleitung – Erklärung der Begriffe
- Pädagogischer Rahmen: Handlungsschritte / Verfahrensweisen (Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren, Beobachtung und fachliche Reflektion von Kindverhalten, Themen zumuten und beantworten auf der Basis von Erziehungszielen und individuellen Themen der Kinder, Dokumentation im Portfolio, Fotodokumentation für Eltern und Besucher der Kita)
- Organisatorischer Rahmen der Umsetzung (Organisatorische Vorarbeiten (u.a. Verantwortlichkeiten klären, Einverständnis der Eltern / Datenschutz, Zeitmanagement), Zur Rolle der Leitung (auch Vernetzung mit anderen Bildungseinrichtungen des Gemeinwesens, Qualifizierung des Personals), Die einzelne Erzieherin und das Team (hier auch Stolpersteine: Fluktuation im Team), QE – Controlling (u.a. Ist-Analyse), Räume und Material für die Erzieher/ Erzieherinnen, Trägerunterstützung)
- Beobachtungs- und Dokumentationsinstrumente.

Mit Spannung darf dieser zweite Band erwartet werden, weil offen ist, ob diese weiteren Materialien eine Hilfe für die Erzieherinnen und die Träger von Kindertagesstätten darstellen werden oder ob sie weitere Normen und Standards beinhalten. Während der Diskussion um die Grundsätze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg im Jahr 2003 und 2004 waren sich die Vertreter des Ministeriums und die Vertreter der beteiligten Organisationen von Kindertagesstättenträgern jedenfalls einig, dass eine Empfehlung für Bildungsgrundsätze in Brandenburg schlank ausfallen solle, damit sie handhabbar ist und tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden könne. Gerade aus diesem Grund haben die Verfasser der Grundsätze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Anschluss an jeden der sechs Bildungsbereiche sogenannte „Ebenen der Umsetzung“ gestellt sowie Beispiele, die die Bildungsfähigkeit der Kinder veranschaulichen sollen. Mit der Ankündigung des zweiten Bandes steht zu befürchten, dass das Ministerium wieder einmal die Kommunen belastende Normen und Standards auf den Weg bringt, wenn es auch nicht selbst dafür verantwortlich zeichnet.

Wenn jetzt die Grundsätze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung gekoppelt werden mit weiteren fachlichen Hinweisen zum pädagogischen Rahmen, zum organisatorischen Rahmen der Umsetzung und zu den Beobachtungs- und Dokumentationsinstrumenten, stellt sich die Frage, wie verlässlich die Landesregierung in ihren Aussagen, man wolle keine fachlichen Vorgaben machen, ist. So erklärte die Staatskanzlei mit Schreiben vom 5. Januar 2004 gegenüber dem Städte- und Gemeindebund, „Über die Rahmensetzung des Kindertagesstättengesetzes hinaus wird die Landesregierung für die pädagogische Arbeit in den Kindertagesstätten keine fachlich – inhaltlichen Vorgaben machen, aber es erscheint doch erforderlich, ein gewisses Maß an Übereinstimmung in den Zielen und Methoden mit den Beteiligten zu erreichen. Deshalb wurde und wird die Abstimmung mit den Trägerverbänden gesucht.“ Auch der Minister für Bildung, Jugend und Sport hat mit Schreiben vom 31. März 2004 erklärt, „Die „Grundsätze“ sind nicht als „Standards“ formuliert. Dennoch bieten sie eine Grundlage für die konzeptionelle Weiterentwicklung und hinreichende Konkretisierung des Bildungsauftrages in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung. Sie lassen den Trägern und Einrichtungen Gestaltungsfreiraum, um das spezifische Profil entwickeln zu können.“

Es bleibt abzuwarten, welchen Inhalt der zweite Band haben wird. Der Städte- und Gemeindebund wird weiter berichten.

II. Auch in anderen Ländern haben sich das jeweils zuständige Ministerium sowie die Träger von Kindertagesstätten dafür eingesetzt, im Volksmund so genannte Bildungsstandards für Kindertagesstätten zu entwickeln und möglichst gemeinsam zu tragen. Die Jugendministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz haben im Frühsommer 2004 den "Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen" verabschiedet.
(www.kultusministerkonferenz.de/aktuell/Gemeinsamer_Rahmen_Kindertageseinrich_BSJMK_KMK.pdf)

Der Geschäftsstelle liegt der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder in der Fassung vom 12. Januar 2005 vor. Dieser Orientierungsplan ist aus verschiedenen Gründen für den interessierten Leser bemerkenswert, weshalb an dieser Stelle über ihn näher berichtet wird, ohne ihn in Relation zu anderen Bildungsplänen setzen zu wollen.

Mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung von Kultusministerium, kommunalen Spitzenverbänden, Verbänden der Wohlfahrtspflege, Kirchen sowie Vereinigungen von Elterninitiativen und Elternvertretungen ist der vom Niedersächsischen Kultusministerium erarbeitete Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder verabschiedet und veröffentlicht worden. In der durch die Genannten unterzeichneten Erklärung zum Orientierungsplan wird davon ausgegangen, dass der Orientierungsplan als Grundlage für die Bildungsarbeit in den niedersächsischen Einrichtungen des Elementarbereichs dient und als Rahmen für die Erarbeitung der einrichtungsspezifischen Konzeptionen akzeptiert wird. Die Verantwortung der Träger für die konkrete Ausgestaltung der Bildungsarbeit bleibt durch ihn unberührt. Die Unterzeichner in Niedersachsen erklären, sich bewusst zu sein, dass der Orientierungsplan anspruchsvolle Ziele verfolgt, die aus unterschiedlichen Gründen nicht überall zeitnah und in gleicher Weise erreicht werden können. Sie halten ferner fest, dass sich aus dem Orientierungsplan weder gegen das Land noch gegen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die kreisangehörigen Städte und Gemeinden finanzielle Forderungen ableiten lassen. "Aufgrund der extrem schwierigen Haushaltslage aller öffentlichen Haushalte müssen die formulierten Ziele schrittweise und ohne finanzielle Mehrbelastung gemeinsam umgesetzt und erreicht werden. Die Stärkung des Bildungsauftrages kann deswegen nur im Rahmen der bestehenden finanziellen Möglichkeiten aller Beteiligten verfolgt werden."

In seinem Vorwort weist der niedersächsische Kultusminister darauf hin, dass bei allem Veränderungsbedarf die Bildungsarbeit, die schon heute in vielen der Einrichtungen tagtäglich geleistet werde, oft zu wenig wahrgenommen und anerkannt werde. Er spricht diese Anerkennung in seinem Vorwort ausdrücklich aus.

Der Orientierungsplan setzt sich aus vier Teilen zusammen. Der erste Teil "Grundlagen und allgemeine Ziele" erläutert das dem Orientierungsplan zugrunde liegende Bildungsverständnis für den Elementarbereich, so wie es dem heutigen Stand der Fachdiskussion entspricht. Der Orientierungsplan wurde verfasst mit Blick auf die Drei- bis Sechsjährigen. Die grundsätzlichen Ausführungen und der Kern der Bildungsziele gelten jedoch ebenso für die Arbeit mit unter Dreijährigen. Die Arbeit im Hort wird durch den Orientierungsplan nicht behandelt. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass der gemeinsame Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertagesstätten, den die Jugendministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz verabschiedet haben, den Hortbereich ebenfalls nicht umfasst.

Teil 2 formuliert in geraffter Form die Bildungsziele in Lernbereichen und Erfahrungsfeldern. Dies sind nach dem niedersächsischen Orientierungsplan emotionale Entwicklung und soziales Lernen, Entwicklung kognitiver Fähigkeiten und der Freude am Lernen, Körper - Bewegung - Gesundheit, Sprache und Sprechen, lebenspraktische Kompetenzen, mathematisches Grundverständnis, Ästhetische Bildung, Natur- und Lebenswelt, ethische und religiöse Fragen/ Grunderfahrungen menschlicher Existenz.

Teil 3 beinhaltet die Arbeit in der Kindertagesstätte. Dieses Kapitel untergliedert sich in die Bereiche methodische Aspekte und die Aufgaben der Fachkräfte, Erziehungspartnerschaft mit den Eltern und Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule. Die in diesem Teil formulierten Grundsätze stellen keine Handlungsanweisungen im engeren Sinne dar; sie sollen vielmehr die Dimensionen der Fachlichkeit im Arbeitsfeld Kindertagesstätte umreißen. Die konkrete Ausgestaltung der Arbeit liegt in der Verantwortung der Fachkräfte bzw. der Träger. Die methodischen Aspekte und die Aufgaben der Fachkräfte setzen sich zusammen aus den Grundprinzipien für die Förderung von Erziehungs- und Bildungsprozessen, leben und lernen in der Kindergruppe, das Spiel - die elementare Lernform von Kindern, die Einrichtung einer anregenden Lernumgebung, Beobachtung und Dokumentation - Grundlagen methodischen Vorgehens, Zusammenarbeit im Team und Aufgaben der Leitung. Der weitere Komplex im Teil 3 setzt sich mit den Grundlagen der Erziehungspartnerschaft mit den Eltern auseinander. Es wird auf die Bedeutung der Kindertagesstätte als einem sozialen Raum hingewiesen, der sich generell durch Akzeptanz und Interesse auszeichnet. Dadurch, dass die Eltern in der Kindertagesstätte erleben, dass ihre eigenen Lebenserfahrungen und ihre Erziehungskompetenz anerkannt wird und dass sie diese einbringen können, werde den Kindern die Chance gegeben, ihre familiären Erfahrungen mit den Entwicklungsangeboten der Einrichtung zu verknüpfen. Eltern müssen in ihrer Erziehungskompetenz ernst genommen werden und ihre Mitwirkung bezüglich pädagogischer Fragen sollte selbstverständlich sein. Für die Zusammenarbeit der Kindertagesstätte mit der Grundschule werden konkrete Maßnahmen zur Erleichterung des Übergangs für das Kind vorgeschlagen.

Teil 4 beinhaltet Erläuterungen und Hinweise zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Kindertagesstätte.

Diesen vier Teilen ist ein Anhang beigefügt. Zunächst werden der Praxis Anregungen gegeben für eine gute räumliche und materielle Ausstattung in den Kindertagesstätten; dies bezogen auf den jeweiligen Lernbereich. Sodann gibt es einen Vorschlag für einen Kooperationskalender in der Zusammenarbeit von Tageseinrichtung und Grundschule. In diesem Kooperationskalender sind Beispiele für bestimmte Maßnahmen im Kindergarten oder Maßnahmen in der Grundschule enthalten, die nach Kalendermonaten untergliedert sind. Es folgt eine Literaturauswahl und eine Liste mit den Bildungsplänen anderer Bundesländer.

Der niedersächsische Orientierungsplan stellt ein gelungenes Beispiel dafür dar, wie man unter anerkennender Wertschätzung bislang geleisteter Bildungsarbeit in Kindertagesstätten einen neuen Rahmen entwickeln kann, der sich auf den Elementarbereich beschränkt und der die Selbständigkeit, Zuständigkeit und Verantwortung der Fachkräfte und der Träger von Kindertagesstätten respektiert und dass man die Umsetzung dieses Rahmens als einen schrittweisen Prozess je nach Möglichkeiten und Strukturen begreifen kann.

Interessierte Mitglieder können eine Kopie dieses Orientierungsplanes unter Nennung des unten stehenden Aktenzeichens in der Geschäftsstelle in Potsdam abfordern.

Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin

Az: 406-00