MITTEILUNGEN 06-07/2007, Seite 207, Nr. 125

Nationaler Integrationsplan


Mit dem Nationalen Integrationsplan soll die Integrationspolitik in Deutschland auf eine neue Grundlage gestellt werden.
Ziel der Bundesregierung ist, dass sich alle staatlichen Ebenen, Bund, Länder und Kommunen im Dialog mit den wichtigsten Akteuren der Bürgergesellschaft und den Migrantinnen und Migranten auf einen gemeinsamen Plan für eine nachhaltige Integrationspolitik einigen.
Bei dem ersten Nationalen Integrationsgipfel, der am 14. Juli 2006 auf Einladung von Bundeskanzlerin Merkel stattfand, wurde vereinbart, einen Nationalen Integrationsplan bis zum Sommer 2007 zu erarbeiten. Der Nationale Integrationsplan verfolgt das Ziel die Chancen einer gelungenen Integration sowie die Risiken, die sich aus fortdauernden Integrationsdefiziten ergeben, in den Blick zu nehmen. Der Dialogprozess hat zur Einberufung von elf Arbeitsgruppen geführt, in denen Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen, Arbeitgeberschaft, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Religionsgemeinschaften, Medien, Stiftungen, bundesweit tätigen Vereinen und Verbänden, der Wissenschaft sowie Migrantenorganisationen Vorschläge erarbeiten sollten. Im Rahmen des Dialogprozesses wurden Berichte der elf Arbeitsgruppen verfasst, deren Umfang insgesamt über 200 Seiten beträgt.

Die in den Berichten enthaltenen Vorschläge der Arbeitsgruppen enthalten Erwartungen und Wünsche, die sich an die Kommunen richten. Hierbei handelt es sich nicht um „Selbstverpflichtungen“ der Kommunen, auch wenn Vertreter der kommunalen Seite in den Arbeitsgruppen mitgewirkt haben. Es gab kein Vetorecht, so dass eine ablehnende Haltung der Vertreter der kommunalen Ebene zu bestimmten Wünschen oder Erwartungen, nicht ausschlaggebend war.

Die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene haben sich an dem Prozess zur Erarbeitung eines Nationalen Integrationsplans beteiligt. Sie haben mit der Beauftragten der Bundesregierung Frau Staatsministerin Prof. Dr. Böhmer vereinbart, dass in einem weiteren Verfahren die Kommunen die Möglichkeit erhalten, selbst formulierte Empfehlungen für Maßnahmen einzubringen, die sie für ihren Bereich für sinnvoll halten. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzeverbände hat daraufhin Mitte Mai 2007 eine eigene Stellungnahme verfasst, die Empfehlungen für Kommunen enthält und die untenstehend abgedruckt wird.

Am 12. Juli 2007 wird der Nationale Integrationsplan von der Bundeskanzlerin im Rahmen eines zweiten Nationalen Integrationsgipfels präsentiert. Der dem Nationalen Integrationsplan zugundeliegende Dialog soll auch künftig zur Sicherung eines nachhaltigen Erfolges fortgesetzt werden.

Die Position der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände kann nicht gleichgesetzt werden mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppen zum Nationalen Integrationsplan. Aus diesem Grund soll die Stellungnahme an eigener Stelle in den Integrationsplan mit aufgenommen werden.

Soweit von Dritten unter Verweis auf die Formulierungen der Arbeitsgruppen zum Nationalen Integrationsplan gegenüber den Kommunen Forderungen aufgemacht werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesvereinigung eine eigene Positionierung abgegeben hat, die damit endet, dass die Empfehlungen der Bundesvereinigung lediglich einen Rahmen bilden können, der an die örtlichen Verhältnisse – insbesondere unter Berücksichtigung der Haushaltslage der jeweiligen Kommunen – angepaßt werden muss.

Die kommunalen Spitzeverbände verkennen nicht die Notwendigkeit einer verbesserten Integration.
So hat beispielsweise der Deutsche Städtetag seine Hauptversammlung vom 22. bis 24. Mai 2007 in München unter das Thema gestellt „Städte schaffen Integration – Stadtpolitik in Zeiten der Globalisierung“. Die inhaltliche Arbeit der Hauptversammlung orientierte sich an der Frage, welchen Beitrag die Städte angesichts der tiefgreifenden Veränderungen in Zeiten der Globalisierung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft leisten können. Das Thema Integration wurde in vier Foren (Demografie und Migration, Integration durch Bildung, Städtische Sozialpolitik und Integration, Integration statt Segration) erörtert und es wurden Thesen zu den jeweiligen Themen verabschiedet.

„Vorbemerkung

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßt den mit dem Nationalen Integrationsgipfel begonnenen Dialog und ist bereit, einen Beitrag zu einer weiteren Verbesserung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und zum Abbau noch bestehender Integrationsdefiziten zu leisten.

Städte, Kreise und Gemeinden sind sich ihrer großen Verantwortung bei der Integration bewusst. Sie sind aufgefordert und bereit, ihre Gestaltungspotentiale zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund auch weiterhin einzusetzen. In einigen Kommunen verfügen annähernd 30 Prozent der Bevölkerung über einen Migrationshintergrund. Diese Entwicklung wird sich - auch angesichts der demographischen Entwicklung - in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen und gibt Anlass, Integrationsbemühungen fortzuführen und weiter zu optimieren.

Gelungene Integration setzt nicht nur eine integrationswillige Aufnahmegesellschaft voraus, sondern auch die Bereitschaft der Menschen mit Migrationshintergrund zur Integration.

Mit dem Integrationsgipfel ist es gelungen, dem Integrationsthema auch auf Bundesebene den notwendigen Stellenwert zu verleihen. Schon seit etlichen Jahren gehen die Kommunen die Aufgabe der Integration an und haben einen wichtigen Beitrag für Integration und den gesellschaftlichen Frieden geleistet. Zahlreiche gute Beispiele zeugen in vielfältiger Weise von gelungenen Integrationsmaßnahmen vor Ort. Diese Vielfalt ist ein Beleg für das Potential der kommunalen Selbstverwaltung, die es auch für die Zukunft zu erhalten gilt.

Selbstverpflichtung der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände

Für eine Fortsetzung und Verstärkung kommunaler Integrationsprozesse verpflichtet sich die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände

- der Mitgliedschaft Anregungen und Informationen z. B. durch Erfahrungsaustausch und Best-Practice    zu liefern und damit
- deren Integrationsbemühungen zu begleiten,
- die Mitgliedschaft mit Empfehlungen zu unterstützen
- und als Sprachrohr kommunale Änderungsbedarfe gegenüber Bund und Ländern vorzubringen,

um so gemeinsam einen Beitrag für die Nachhaltigkeit der Integrationsbemühungen zu leisten.

1. Integration als kommunale Querschnittsaufgabe


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- der Integration eine hohe kommunalpolitische Bedeutung beizumessen,
- Integration als ressortübergreifende Aufgabe in der Kommunalverwaltung zu verankern und ihrer    Bedeutung entsprechend anzusiedeln,
- kommunale Gesamtstrategien, die den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen angepasst sind, zu    entwickeln und fortzuschreiben.

2. Unterstützung lokaler Netzwerke


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- sich für eine stärkere Vernetzung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Akteure    einzusetzen und erforderlichenfalls Vernetzungen zu initiieren,
- dabei im Rahmen ihrer Möglichkeiten als zentraler Akteur zur Koordinierung und Abstimmung der    verschiedenen Integrationsbemühungen aufzutreten.

3. Interkulturelle Öffnung der Verwaltung


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den Verwaltungen zu erhöhen
- Mitarbeiter in der Weise fortzubilden, dass dem Ziel der Kundenfreundlichkeit und dem Bedarf an    interkultureller Kompetenz in der Verwaltung noch wirkungsvoller Rechnung getragen werden kann.

4. Gesellschaftliche Integration durch Partizipation und bürgerschaftliches Engagement


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- bürgerschaftliches Engagement von, für und mit Migranten zu unterstützen und zu fördern,
- Menschen mit Migrationshintergrund stärker an den Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen in den    unterschiedlichsten Bereichen des sozialen und politischen Lebens zu beteiligen,
- und dabei auch für die Einbeziehung der weiblichen Migrationsbevölkerung einzutreten,
- die Kompetenzen der Zuwanderer als Multiplikatoren und Konfliktmoderatoren stärker einzubeziehen.

5. Sprache und Bildung


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- als Lotsen Zuwanderer bei der Wahrnehmung von Bildungsangeboten des Bundes und der Länder
   (z. B. durch Information über entsprechende Angebote) zu unterstützen und zu den Angeboten    hinzuführen,
- durch kommunale Maßnahmen das Bildungsangebot zu ergänzen und
- diese Angebote mit denen des Bundes und der Länder zu vernetzen.

6. Berufliche Integration


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- als Träger von Aufgaben nach dem SGB II die berufliche Integration von Menschen mit    Migrationshintergrund mit ihren flankierenden Maßnahmen zu unterstützen,
- auch in ihrer Rolle als Arbeitgeber einen unmittelbaren Beitrag zur beruflichen Integration zu leisten.

7. Sozialräumliche Integration


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- in Sozialräumen mit Integrationsdefiziten durch Quartiersmanagement und Netzwerkbildung das    Zusammenleben zwischen den Bevölkerungsgruppen zu fördern,
- mit niedrigschwelligen sozialen und kulturellen Angeboten die Lebensqualität im und die Identifikation    mit dem Quartier zu stärken,
- von Förderinstrumenten zur Stärkung benachteiligter Quartiere wie z.B. das Bund-Länder-Programm    „Soziale Stadt“ und die Programme des Europäischen Sozialfonds (ESF) stärker Gebrauch zu    machen.

8. Förderung lokaler ethnischer Ökonomie


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- im Rahmen kommunaler Wirtschaftsförderungskonzepte der zunehmenden Bedeutung der    ethnischen Ökonomie Rechnung zu tragen,
- in der Bevölkerung und der Verwaltung das Bewusstsein für das Potential der ethnischen Ökonomie    zu wecken und für den kommunalen Wirtschaftsstandort zu nutzen.

9. Stärkung des Engagements gegen Fremdenfeindlichkeit


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- auch weiterhin energisch extremistische und fremdenfeindliche Bestrebungen zu bekämpfen und    Fremdenfeindlichkeit in allen Ausprägungen entgegenzutreten,
- örtliche Netzwerke gegen Extremismus und für Toleranz zu unterstützen.

10. Information und Evaluation


Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihrem Mitgliedsbereich/ ihren Mitgliedsverbänden

- über die vor Ort verfügbaren Integrationsangebote in geeigneter Weise zu informieren,
- im Interesse der Effektivität der lokalen Integrationspolitik und eines wirkungsvollen    Ressourceneinsatzes ihre Integrationsbemühungen zu dokumentieren, zu evaluieren und ggfls. zu    optimieren.

Angesichts der sehr unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort in den mehr als 12.000 deutschen Kommunen können die Empfehlungen der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände nur den Rahmen bilden, der an die örtlichen Verhältnisse - insbesondere unter Berücksichtigung der Haushaltslage der jeweiligen Kommune - angepasst werden muss.“

Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin

Az: 111-07

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