Stellungnahme vom 23.02.2004

Finanzierung eines Kindertagesstättenplatzes in Berlin


Nach Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes ergibt sich für viele Gemeinden die Frage, ob die Gemeinde einen Kostenausgleich an Berlin zahlen muss nach § 16 Abs. 5 KitaG, wenn das Kind auf Wunsch der Eltern eine Kindertagesstätte in Berlin aufsuchen möchte und die Wohnortgemeinde selbst keinen Kindertagesstättenplatz zur Verfügung stellen kann. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat sich mit der Frage beschäftigt und mit Schreiben vom 23.02.2004 seinen Mitgliedern auf die Frage mitgeteilt:

a) Die Wohnortgemeinde sollte unserer Auffassung nach in allen Fällen zunächst versuchen, für das Kind in Nachbargemeinden innerhalb des Landkreises ein geeignetes und vergleichbares Betreuungsangebot zu finden. Gelingt dies, trägt die Wohnortgemeinde gegenüber der aufnehmenden Gemeinde einen Kostenausgleich nach § 16 Abs. 5 KitaG, der sich auf den gemeindlichen haushalterischen Zuschuss bezieht.

b) Sollte dies nicht gelingen, sind die Eltern an das kreisliche Jugendamt zu verweisen. Der Landkreis als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Gewährleistungspflicht für die Kindertagesbetreuung. Sofern die Eltern eine gleichermaßen geeignete Einrichtung in einem anderen Landkreis oder in Berlin auswählen und hierfür eine finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand wollen, ist der hierfür nach SGB VIII örtlich zuständige Landkreis zuständig.

aa) Soweit das Kind eine Kindertagesstätte in einem anderen Landkreis oder in einer kreisfreien Stadt besuchen möchte, ist für eine Entscheidung hierüber der Landkreis zuständig, auch wenn das Gesetz dies äußerst mangelhaft ausdrückt. § 16 Abs. 5 Satz 2 KitaG lautet: Gleiches gilt für den Kostenausgleich zwischen Gemeindeverbänden.

Da die Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass nach dem Gesetz die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Prüfung des Wunsch- und Wahlrechts zuständig sind („Nunmehr soll die Verpflichtung zum Kostenausgleich an die Prüfung und Gewährung des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 SGB VIII durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, gegen den sich dieses Recht unmittelbar richtet, gebunden werden.“), sind die Landkreise dafür zuständig, über die Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts durch Bewilligung der Finanzierung eines Kita-Platzes außerhalb ihres Hoheitsgebietes zu entscheiden. In diesen Fällen (Besuch außerhalb des Landkreises, des Gebiets des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe) soll der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Landkreis, kreisfreie Stadt) den Kostenausgleich zahlen, denn es handelt sich eindeutig um eine Aufgabe des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe: Die Zurverfügungstellung eines Kindertagesstättenplatzes erfolgt hier nicht auf gemeindlicher, sondern auf regionaler Ebene.

Diese Rechtslage entspricht den Vorschriften des KitaG mit Stand vor dem 1.7.2000: Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des KitaG vom 7.6.1996 war § 16 Abs. 4 KitaG neu gefaßt und der Satz „Gleiches gilt für den Kostenausgleich zwischen Gemeindeverbänden.“ aufgenommen worden. Kommentierungen zu der damaligen Vorschrift gingen davon aus, dass auf Ebene des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe ein Kostenausgleich stattfindet, wenn ein Kind eine Kindertagesstätte außerhalb des Landkreises besucht. Gleiches gilt mit Bezug auf die kreisfreien Städte.

Diese Aufgabe, nämlich der Kostenausgleich zwischen örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, muss unserer Auffassung nach der Landkreis selbst wahrnehmen und die Kostenausgleiche an andere örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die aufnehmenden Gemeinden aus deren Gebiet zahlen. Der Kostenausgleich beinhaltet hier nicht nur den Zuschuss in Höhe von mindestens 84 % der Personalkosten des aufnehmenden Landkreises, sondern auch den Zuschuss der aufnehmenden Gemeinde, z.B. nach § 16 Abs. 3 KitaG, sowie einen Anteil an Verwaltungsgemeinkosten.

Sofern es zu einer kreisgrenzenüberschreitenden Tagesbetreuung innerhalb Brandenburgs kommt, sind unserer Auffassung nach die Wohnortgemeinden nicht mehr nach § 16 Abs. 5 Satz 1 KitaG verpflichtet, einen Kostenausgleich an die in einem anderen Landkreis liegende Gemeinde zu zahlen. Diese muss sich ihren Kostenausgleich von dem Wohnortlandkreis holen und sie sollte sich vor Aufnahme des Kindes von dem Wohnortlandkreis eine Kostenzusage einholen.

Die Höhe des durch den Wohnortlandkreis zu gewährenden Kostenausgleichs ist von den durchschnittlich gewährten Zuschüssen und den Ausgaben abhängig, die dem aufnehmenden Landkreis und der aufnehmenden Gemeinde entstehen. Nach § 16 Abs. 2 KitaG muss der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe dem Träger einer Kindertagesstätte einen Zuschuss pro belegten Platz gewähren, für das Personal, das zur Erfüllung des Rechtsanspruchs gemäß § 1 KitaG notwendig ist. Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist jedoch nur gegenüber denjenigen Kindern zur Erfüllung des Rechtsanspruchs verpflichtet, die aus seinem Hoheitsgebiet stammen. Personalkosten, die entstehen, weil Kinder, die außerhalb seines Hoheitsgebiets wohnen, eine durch ihn zu bezuschussende Einrichtung besuchen, muss er nicht berücksichtigen. Gleiches gilt für den Zuschuss der aufnehmenden Gemeinde.
Wenn es dem Träger einer Einrichtung möglich ist, Kinder aus anderen Landkreisen zu betreuen, ohne hierfür einen Zuschuss seines Standortlandkreises und seiner Standortgemeinde zu benötigen, kann die Kostenausgleichsverpflichtung des Wohnortlandkreises gering ausfallen.

bb) Zum Wahlrecht der Leistungsberechtigten ist folgendes zu sagen: Das Wahlrecht kann nur bei begründetem Anlaß (z.B. das erste Mal, Umzug, Schließung der Einrichtung) und nicht ständig ausgeübt werden, weil der Wechsel in der Bezugsperson dem Wohl des Kindes abträglich sein kann. Die Ausübung des Wahlrechts bedarf also eines begründeten Anlasses; sie muß immer mit den Interessen und dem Wohl des Kindes vereinbar sein. Auch die Wünsche und Vorstellungen des Kindes sind zu berücksichtigen.

Die Ausübung des Wahlrechts hat zur Voraussetzung, dass es mehrere gleich geeignete Einrichtungen oder Angebote gibt, unter denen der Leistungsberechtigte wählen kann. Der Leistungsberechtigte kann aber nicht vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe verlangen, dass dieser selbst Einrichtungen oder Dienste schafft oder deren Schaffung durch freie Träger fördert, weil er, der Leistungsberechtigte, die vorhandenen Einrichtungen oder Dienste ablehnt, sofern solche quantitativ und qualitativ ausreichend bereits zur Verfügung stehen.

Die Verwirklichung des Rechts, unter mehreren gleichartigen Einrichtungen oder Diensten eine bestimmte Einrichtung auswählen zu können, hängt vor allem davon ab, dass durch die Wahl keine unverhältnismäßigen Mehrkosten entstehen. Der Begriff „unverhältnismäßige Mehrkosten“ soll den Gesichtpunkt der kostengünstigeren Hilfegewährung stärker betonen. Daher sind immer entstehende Mehrkosten zu ermitteln und es ist ein Kostenvergleich zu ziehen, falls die Wahl nicht bereits aus anderen Gründen abgelehnt wird. So kann die Wahl abgelehnt werden, wenn hierfür erzieherische Notwendigkeiten sprechen. Eine Wahl oder Wünsche der Leistungsberechtigten, die mit dem Wohl des betroffenen Kindes nicht zu vereinbaren sind, kann nicht gefolgt werden. Dies ergibt sich aus dem „Wächteramt“ des Staates und aus der generellen Zielsetzung des SGB VIII. So ist umstritten, ob es dem Wohle des Kindes dient, wenn es täglich gemeinsam mit der Mutter deren einstündigen Weg zur Arbeit und zurück fahren muss.

c) Im Falle, dass der Landkreis dem Besuch einer in Berlin oder einem anderen Land gelegenen Kindertagesstätte zustimmen würde, träfe allenfalls ihn, und nicht die Gemeinde (auch nicht zum Teil), eine Kostenausgleichspflicht, allerdings nicht nach § 16 Abs. 5 Satz 2 KitaG, sondern auf Grund seiner allgemeinen Zuständigkeit als Verantwortlicher für die Gewährleistung der Kindertagesbetreuung. § 16 Abs. 5 KitaG verpflichtet weder die Gemeinden noch die Landkreise oder kreisfreien Städte dem Wunsch- und Wahlrecht nachzugeben mit der Maßgabe, eine Kindertagesbetreuung außerhalb Brandenburgs zu finanzieren. § 16 Abs. 5 KitaG ist Landesrecht und gilt als solches nur in Brandenburg und räumt Gemeinden außerhalb Brandenburgs keine eigenständigen Rechte ein. d) Das Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung ist unserer Auffassung nach durch die Gemeinden nicht mehr anzuwenden. Es könnte bei Verhandlungen mit Berlin allenfalls als „Richtschnur“ herangezogen werden. Der Staatsvertrag selbst hat zwischen dem Stadtstaat Berlin und dem Land Brandenburg noch Gültigkeit. Dies gilt jedenfalls, solange er durch eine der Vertragsparteien nicht gekündigt wird. Der Staatsvertrag allein bindet die Gemeinden und auch die Landkreise und kreisfreien Städte hingegen nicht. Das Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg ist unserer Auffassung nach in den Vorschriften verfassungswidrig, die die Leistungsträgerschaft der Gemeinden im Sinne des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes berühren. Auf die Frage, ob das Gesetz auch aus anderen Gründen verfassungswidrig sein könnte, wollen wir an dieser Stelle nicht eingehen. Das Gesetz zu dem Staatsvertrag beinhaltet Regelungen für die Jugendämter in den Bezirken Berlins und für die Gemeinden und Ämter in Brandenburg, die nach Artikel 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes in Brandenburg die Leistungsverpflichtungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe wahrnehmen. Nach Leitsatz 1 des Urteils des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 20.03.2003, - VfGBbg 54/01 -, Mitt. StGB Bbg. 04-05/2003, S. 235, sind die Änderungen des Kindertagesstättengesetzes, denen zufolge die kreisangehörigen Gemeinden für den Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz einzustehen sowie für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kita-Plätzen zu sorgen haben unter Mitberücksichtigung der jeweiligen Folgeregelungen verfassungswidrig, weil sie der Sache nach auf eine teilweise Übertragung der Trägerschaft für Jugendhilfeaufgaben hinauslaufen. Hierfür hat dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz gefehlt. Das Verfassungsgericht hat alle Regelungen im KitaG, die mit dieser Trägerschaft zusammenhängen, für verfassungswidrig erklärt. Aus den gleichen Gründen, aus denen das Verfassungsgericht diese Vorschriften für verfassungswidrig erklärt hat, wären auch die Regelungen aus dem Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung, die die Aufgabenträgerschaft kreisangehöriger Gemeinden berühren, verfassungswidrig. Da die Verfassungsbeschwerden gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes nicht das Gesetz zum Staatsvertrag betrafen, hatte das Verfassungsgericht nicht über die hierin enthaltenen Regelungen zu entscheiden. Obwohl die Verfassungswidrigkeit nicht durch das Verfassungsgericht festgestellt ist, können sich die Gemeinden dennoch in ihrer Argumentation auf die Verfassungswidrigkeit von Artikel 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zum Staatsvertrag berufen und müssen das Gesetz nicht gegen sich gelten lassen. Zusammenfassend ist abschließend zu sagen, dass sich der Anspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte gegen den Landkreis richtet und dieser bei Erfüllung des Rechtsanspruchs durch Zurverfügungstellung eines Kindestagesstättenplatzes, welcher sich außerhalb seines Hoheitsgebietes in Brandenburg befindet, Träger der Kostenausgleichsverpflichtung nach § 16 Abs. 5 KitaG ist. Sofern ein Kindertagesstättenplatz außerhalb Brandenburgs zur Verfügung gestellt werden soll, kann der Landkreis nach den Regelungen in SGB VIII einen Kostenausgleich oder Zuschuss an den Träger der Einrichtung zahlen.