MITTEILUNGEN 10/2004, Seite 330, Nr. 209

BFH zur Einordnung einer Kindertagesstätte als Betrieb gewerblicher Art


Der BFH hat in einem Urteil vom 18.12.2003 (DStR 2004, 985 ff.) entschieden, dass es von der Ausgestaltung des Betreuungsverhältnisses mit den Eltern abhängt, ob die von einer Kommune unterhaltene Kindertagesstätte einen Betrieb gewerblicher Art darstellt. Ist das Betreuungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet, liegt ein Betrieb gewerblicher Art vor, ist es öffentlich-rechtlich ausgestaltet, liegt ein Hoheitsbetrieb vor. Indizien, die auf eine öffentlich-rechtliche Regelung hinweisen, sind nach dem Urteil die Festsetzung des Entgelts oder der Betreuungs- und Erziehungsmaßnahmen durch Verwaltungsakt, die Anfechtbarkeit der eventuellen Entscheidungen auf dem Verwaltungsrechtsweg sowie eine nicht bestehende Verpflichtung der Eltern zur Betreuung ihrer Kinder in der Tagesstätte.

In der zugrunde liegenden Entscheidung hatte die klagende GmbH eine Kindertagesstätte errichtet und an eine Kommune vermietet. Zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG wollte die GmbH von der Option nach § 9 Abs. 1 UStG zur umsatzsteuerpflichtigen Vermietung von Räumlichkeiten an die Kommune Gebrauch machen. Hierzu war erforderlich, dass die Grundstücksvermietung an die Kommune als Unternehmerin erfolgte. Denn beim Verzicht auf die Steuerbefreiung der Grundstücksvermietung ist der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

Als Unternehmerin ist eine Kommune allerdings nur zu qualifizieren, wenn sie einen Betrieb gewerblicher Art im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i. V .m. § 4 KStG ausübt. Dazu gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen. Diese Vorschrift wird durch Art. 4 Abs. 5 der EU-Richtlinie 77/388/EWG dahingehend konkretisiert, dass Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige gelten, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei den Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Vorschrift um solche, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung ausüben.

Auf der Grundlage dieser Vorschrift kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass eine Tätigkeit nicht der Ausübung öffentlicher Gewalt dient und mithin kein Hoheitsbetrieb vorliegt, wenn sie in den Formen des privaten Rechts ausgeführt wird. Die Kommune hatte in der vorliegenden Entscheidung eine entgeltliche Kinderbetreuung aufgrund eines „Vertrages zur Aufnahme und Betreuung eines Kindes in einer städtischen Kindetageseinrichtung“ mit den Eltern der Kinder vorgenommen. Der BFH folgt der vorinstanzlichen Einordnung dieser Betreuungsvereinbarungen als privatrechtlich. Er führt aus, dass Indizien, die auf öffentlich-rechtliche Regelung des Betreuungsverhältnisses hinweisen, die Festsetzung des Entgelts oder der Betreuungs- und Erziehungsmaßnahmen durch Verwaltungsakt, die Anfechtbarkeit der evtl. Entscheidungen auf dem Verwaltungsrechtsweg sowie eine nicht bestehende Verpflichtung der Eltern zur Betreuung ihrer Kinder in der Tagesstätte seien. Diese liegen nach Ansicht des Gerichts aber nicht vor. Nach Ansicht des BFH spricht die Aufnahme der Kindertageseinrichtung in den Katalog der Zweckbetriebe nach § 68 Nr. 1 b AO 1977 auch dafür, dass mit dem Betrieb einer Kindertageseinrichtung keine hoheitliche Tätigkeit verbunden ist.