Mitteilungen 03/2009, Seite 125, Nr. 63

Überprüfung von Angehörigen kommunaler Vertretungskörperschaften nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz

In den letzten Monaten wurden an die Landesgeschäftsstelle wiederholt Anfragen zur Überprüfung der Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften nach dem Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz – StUG) gerichtet.

Am 29. Dezember 2006 trat das Siebte Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes in Kraft. Mit ihm wurden die – ursprünglich bis zum 28. Dezember 2006 befristeten – Regelungen zur Überprüfung von Personen auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst neu gefasst. Die bis dahin geltende Überprüfungsmöglichkeit u.a. aller Angehörigen des öffentlichen Dienstes wurde auf einen Personenkreis beschränkt, der besonders in der Öffentlichkeit steht, herausgehobene Positionen bekleidet oder von dem eine besondere Integrität erwartet wird.

Zur Feststellung, ob sie hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst tätig waren sind beispielsweise Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung, Abgeordnete, Angehörige kommunaler Vertretungskörperschaften und kommunale Wahlbeamte, Personen, die Spitzenpositionen im öffentlichen Dienst (z. B. als Leiter von Behörden) einnehmen sowie Berufs- und ehrenamtliche Richter überprüfbar (vgl. § 20 Abs. 1 StUG, § 21 Abs. 1 StUG). Dies gilt bis zum 31. Dezember 2011.

Bei Mitgliedern kommunaler Vertretungskörperschaften besteht keine Verpflichtung einer Überprüfung. Vielmehr handelt es sich um eine kommunalpolitische Entscheidung der jeweiligen Vertretungskörperschaft.

Zu den Einzelheiten der Durchführung des Überprüfungsverfahrens hat die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ein Merkblatt veröffentlicht. Dieses kann unter folgender Internetadresse aufgerufen werden:
http://www.bstu.bund.de/cln_029/nn_715068/DE/Akteneinsicht/Antrag-oeffentlicher-nicht-oeffentlicher-Stellen/Merkblatt/merkblatt__node.html__nnn=true

Die Überprüfung richtet sich darauf, ob die Mitglieder der Vertretungskörperschaft hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst tätig waren. Sachkundige Einwohner gehören hingegen nicht zu dem Personenkreis. Ausgeschlossen sind dabei Tätigkeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres.

Einzuleiten ist die Überprüfung durch einen Beschluss der jeweiligen Vertretungskörperschaft. Amtsausschüsse gelten als kommunale Vertretungskörperschaft im Sinne der §§ 20 Abs. 1 Nr. 6 b, 21 Abs. 1 Nr. 6 b StUG.

Die Vertretung kann dabei zwei Arten der Überprüfung beschließen:

Zum einen eine obligatorische Überprüfung aller Mitglieder, d. h. auch derjenigen, die einer Überprüfung ihrer Person nicht zugestimmt haben.

Zum anderen kann sie ihre Mitglieder auffordern, sich überprüfen zu lassen, d.h. es werden nur die Mitglieder überprüft, die mit einer Überprüfung einverstanden sind (allerdings stellt sich hier die Frage der Sinnhaftigkeit einer nur partiellen Überprüfung). 

Eine qualifizierte Mehrheit ist für den Beschluss nicht erforderlich. Es gelten die allgemeinen Anforderungen der Kommunalverfassung, wonach Beschlüsse mit der Mehrheit der auf Ja oder Nein lautenden Stimmen gefasst werden (§ 39 Abs. 2 Satz 1 BbgKVerf).

Ein Auszug aus der Sitzungsniederschrift ist dem Ersuchen zur Überprüfung an die Bundesbeauftragte beizufügen. Für die einzelnen zu überprüfenden Personen stellt die Bundesbeauftragte einen Personalbogen bereit, der die praktische Bearbeitung erleichtern und Verwechslungen von Personen ausschließen soll. Dieser ist auf der Internetseite der Bundesbeauftragten aufrufbar.

Nach Abschluss der Prüfung teilt die Bundesbeauftragte der ersuchenden Stelle mit, ob bei den betreffenden Personen eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst festgestellt werden konnte. Da es bei den Überprüfungen um die Feststellung einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst geht, bleiben andere Unterlagen, die zu der betreffenden Person in den Unterlagen eventuell vorhanden sind und aus denen z. B. hervorgeht, dass diese Person zu einem anderen Zeitpunkt selbst vom Staatssicherheitsdienst bespitzelt wurde, in der Mitteilung der Bundesbeauftragten unberücksichtigt.
Bei Vorliegen einer Tätigkeit erhält die ersuchende Stelle von der Bundesbeauftragten einen Recherchebericht, der Art und Dauer der Tätigkeit der betreffenden Person zusammenfasst.
 
Bei der Entscheidung, ob eine Überprüfung ihrer Mitglieder vorgenommen werden soll, ist von der Vertretung bereits in den Blick zu nehmen, wie mit möglichen Ergebnissen umgegangen wird.

Es empfiehlt sich, das Verfahren der Auswertung der Mitteilung und mögliche politische Schlussfolgerungen bereits mit dem Beschluss festzulegen, mit dem die Überprüfung eingeleitet werden soll. So kann ein zeitweiliger Ausschuss vorgesehen und benannt werden, der die Mitteilungen der Bundesbeauftragten auswertet und für die Vertretung eine Empfehlung vorbereitet. Dabei ist den betreffenden Personen ein Mitwirkungs- und Stellungnahmerecht einzuräumen. Geregelt werden sollte auch, wie die Mitteilungen der Bundesbeauftragten zu verwahren sind.

Vor einer Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Inhalt der Feststellungen hat in einem abgestuften Verfahren eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten des Mandatsträgers und dem Aufklärungs- und Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu erfolgen. Dabei sollte dem Mandatsträger ggf. das Recht zu einer eigenen Darstellung eingeräumt werden.

Für die Bearbeitung von Ersuchen öffentlicher Stellen auf Einsichtnahme, Auskunft und Herausgabe von Kopien werden von der Bundesbeauftragten keine Kosten erhoben.

Jens Graf, Referatsleiter