MITTEILUNGEN 08/2007, Seite 231, Nr. 143

Quo vadis Ganztag?


Der bedarfsgerechte Ausbau eines pädagogisch sinnvollen Ganztagsschulwesens in Deutschland zählt nach wie vor zu den Schwerpunkten ambitionierter Bildungspolitik. Unbenommen ist das Potential von Bildungsangeboten mit einem pädagogisch gestalteten ganztägigen, rhythmisierten Unterricht auf dem Weg zu einer besseren individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler. Hierbei richten sich die an den Ausbau und die Sicherung des Ganztagsschulwesens geknüpften Erwartungen und Hoffnungen auf vielfältige Aspekte, vorrangig auf jene, in denen das deutsche Bildungssystem wiederholt Schwächen offenbart, insbesondere auf solche, in denen Schule als ganzheitlich verstandenem Ort des Lebens und Lernens in stärkerem Maße kompensatorische Wirkung abverlangt wird. Schulabschlussquote, „Schulverweigerung“, zunehmende Zahl von Kindern aus bildungsfernen Schichten, Schüler mit Migrationshintergrund, Abhängigkeit von Sozialstatus und Bildungsabschluss, individuelle Förderung von lernschwächeren als auch hochbegabten Schülern, veränderte Familien- und Erwerbsstrukturen – Schlagwörter, die selten bei der Benennung aktueller gesellschafts- und bildungspolitischer Herausforderungen fehlen und auch im Zusammenhang mit den Chancen einer weiteren Entwicklung von Ganztagsschulen bzw. Ganztagsangeboten an Schulen zu Recht reflektiert werden.

Vor diesem Hintergrund sind die derzeitigen Ausbaubemühungen im Bereich Ganztag grundsätzlich zu begrüßen. Im Zuge des im Jahre 2003 gestarteten Investitionsprogramms Zukunft, Bildung und Betreuung (IZBB), mit dem der Bund insgesamt 4 Milliarden Euro in den Haushaltsjahren 2003 – 2007 für investive Maßnahmen bereitgestellt hat, konnte die Entwicklung bereits einen erheblichen Schritt vorangebracht werden. Dies gilt – trotz zum Teil erheblicher regionaler Unterschiede bezüglich des Antrags- und Genehmigungsvolumens – im Ergebnis auch für die bis dato zu verzeichnende Entwicklung innerhalb des Landes Brandenburg. Finanzielle Grundlage bilden die für das Land Brandenburg bereitgestellten Bundesmittel in Höhe von 130.054.625 Euro, die seitens des Landes zur Verfügung gestellten (teilweise kapitalisierten) Lehrerwochenstunden und die erheblichen Kraftanstrengungen der Kommunen.

Das bevorstehende Auslaufen des IZBB-Förderprogramms im Jahre 2008 wirft im Kern zwei Fragen auf: Welche Optionen eröffnen sich aus der letzten Antragsphase (Frist: 15.12.2007), insbesondere nach welchen Kriterien sollte auf der Grundlage des bisher erreichten Ausbaustandes die abschließende Mittelvergabe erfolgen? Wie werden über 2008 hinaus die Erfolge des begonnenen Weges und weitere Perspektiven für die Schulen sichergestellt?

Diese Fragen greift Herr Staatssekretär Jungkamp in seinem nachfolgenden Gastbeitrag auf, für den wir uns bedanken und den wir auf seinen Wunsch hin gern wiedergeben. Darüber hinaus hatten seitens unseres Verbandes Geschäftsführer Böttcher und Referatsleiterin Petereit am 6. August 2007 Gelegenheit, sich hierzu mit Herrn Staatssekretär Jungkamp, weiteren Vertretern des MBJS sowie dem Landkreistag zu verständigen.

Mit Blick auf die abschließende Auswahlrunde wurde zunächst erörtert, ob und unter welchen Voraussetzungen Anträge aus Landkreisen bzw. kreisfreien Städten Berücksichtigung finden sollten, die bereits die Zielvorgaben des Landes erreicht haben. Diese Zielvorgaben sind im Jahre 2003 durch die Landesregierung quantitativ formuliert worden: Ganztagsplätze in Höhe von 25 % im Grundschulbereich bzw. ein Drittel in der Sekundarstufe I. Konsens ist, dass man sich von einer strikten Quotierung auf Ebene der Landkreise bzw. kreisfreien Städte lösen sollte. Mit anderen Worten: Sofern bereits bezogen auf den Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt diese Quote erreicht sei, sollte dies nicht per se zu einer Ablehnung von Anträgen aus eben diesen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten führen. Regionale Ausgewogenheit von Ganztagsplätzen sei zwar berechtigtes Anliegen. Gleichwohl sollten weitere Belange in die Entscheidung einfließen, so die Qualität des pädagogischen Konzeptes, besondere Bedarfslagen an den Schulstandorten. Insoweit ist verabredet worden, die kommunalen Spitzenverbände bei der Entscheidungsfindung zu kontaktieren.

Unabhängig davon sprachen sich alle Gesprächsteilnehmer dafür aus, verstärkt Möglichkeiten auszuloten, die Hemmnisse in jenen Landkreisen beheben, in denen aus verschiedenen Gründen bis dato vergleichsweise wenig Ganztagsplätze eingerichtet worden sind. Insoweit wurden seitens des Landkreistages Regionalkonferenzen in Betracht gezogen. Diesen Vorschlag hat die Geschäftsstelle insbesondere vor dem Hintergrund der von einigen Mitgliedern geäußerten Kritik, wonach es im Grundschulbereich noch Defizite in der Unterstützung durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gebe, mit Interesse aufgenommen. Ein Impuls für eine verbesserte Dialogbereitschaft kann daher im Interesse eines politischen und finanziellen Schulterschlusses aller Akteure hilfreich sein. Die Geschäftsstelle nimmt daher entsprechende Hinweise und Anregungen aus der Mitgliedschaft, die Gegenstand weiterer Gespräche mit dem MBJS und/oder dem Landkreistag sein sollten, jederzeit gern auf.

Aus kommunaler Sicht war zudem herauszustellen, dass die im Zuge des Bundesprogramms eröffneten Perspektiven nur dann langfristig gesichert werden können, wenn das Land in seinen Anstrengungen nicht nachlässt. Dies betrifft vor allem die erwähnten Lehrerwochenstunden, die in Abhängigkeit vom Ganztagsmodell bemessen werden. Von nicht minderer Bedeutung werden die in Ansatz gebrachten kapitalisierten Lehrerwochenstunden sein, die eine Einbeziehung außerschulischen Personals, insbesondere der Kooperationspartner (Musikschulen, Sportvereine, Einrichtungen der Jugendhilfe etc.) sicherstellen. Dieser Appell gilt umso dringender, als dass das MBJS in seiner Entscheidungsfindung offenbar dem (teilgebundenen oder) offenen Ganztag zuneigt. Abgesehen davon, dass diese Modelle nur bedingt einen neuen Unterricht und neuen Zeitrhythmus fördern, bedarf es auch hier eines pädagogischen Ganztagskonzeptes „aus einer Hand“ sowohl für den Vormittag als auch für den Nachmittag. Dies setzt voraus, dass das Land bereit ist, die hierfür notwendigen Kosten für das Personal und die Investitionen bereitzustellen.
Nach Aussagen von Herrn Staatssekretär Jungkamp werde das Land investive Mittel jedoch angesichts der Haushaltslage des Landes nicht ausreichen können. Zur künftigen personellen Förderung im Bereich Ganztagsentwicklung an Schulen werde man sich im Rahmen einer Klausurtagung im Oktober beraten. Der Städte- und Gemeindebund sieht den Beratungsergebnissen mit großer Aufmerksamkeit entgegen. Sie stellen für die Entwicklung im Land Brandenburg die Weichen dafür, ob das Reformprojekt Ganztag als Erfolgsgeschichte langfristig gelebt werden kann oder zu einem bloßen Erfolgskapitel zu verblassen droht. Wir ermutigen daher die Landespolitik, diesem wichtigen bildungspolitischen Anliegen dauerhaft zum Erfolg zu verhelfen.

Im Verlauf des Gesprächs hob Herr Geschäftsführer Böttcher erneut die Auswirkungen der künftigen Landesentwicklungsplanung auf den Schulbereich hervor, die insbesondere aus der Streichung der Grundzentren resultieren. Die negativen Auswirkungen auf ein nur noch zweistufiges System Zentraler Orte müssten von allen Fachpolitikbereichen endlich erkannt werden.

Abschließend noch ein Veranstaltungshinweis: Am 21. und 22. September 2007 findet in Berlin der 4. Ganztagsschulkongress des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Kultusministerkonferenz in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung statt. In diesem Jahr greift der Kongress das Thema „Lokale Bildungslandschaften“ unter dem derzeitigen Arbeitstitel „Ganztagsschulen werden mehr. Bildung lokal verantworten“ auf. Weitere Informationen finden Sie auf den Internetseiten www.dkjs.de oder www.ganztaegig-lernen.de.

Az: 200-02

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