Mitteilungen 12/2008, Seite 547, Nr. 270

BGH zu kommunalen Informationspflichten im Falle einer Grundstücksveräußerung

Der Käufer eines Grundstücks muss vor dem Kauf über zukünftige Kosten, die durch den Bau einer Kläranlage auf ihn zukommen, aufgeklärt werden. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) hervor (Az.: V ZR 135/07 vom 27. Juni 2008), das dem klagenden Unternehmen das Recht auf Schadensersatz zugesteht und die Revision einer beklagten Kleinstadt in Thüringen zurückgewiesen hat.

Von dieser kaufte ein Unternehmen im Jahr 1992 ein erschlossenes und an eine dezentrale Containerkläranlage angeschlossenes Grundstück von rund 100.000 m2 zur Errichtung einer Fabrik, so der BGH zum Sachverhalt. Die Vertragsparteien vereinbarten einen Kaufpreis von neun DM/m2 sowie einen von der Käuferin für die Erschließung zu zahlenden Betrag von weiteren neun DM/m2. Dieser Betrag sollte nach dem Vertrag unter anderem sämtlichen Aufwand für die Erschließungskosten und für die Abwasserentsorgung enthalten. Die Käuferin verpflichtete sich zum Bau der Fabrik innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Baugenehmigung mit einer Investitionssumme von 80 Mio. DM. Der Vertrag wurde vollzogen und die Fabrik errichtet.

1993 schlossen sich die Stadt und weitere 36 Gemeinden zu einem Zweckverband zusammen. Dieser errichtete eine zentrale Kläranlage, an die auch das von der Käuferin erworbene Grundstück angeschlossen wurde. Der Zweckverband forderte hierfür Beiträge in Höhe von insgesamt rund 430.500 DM, die bis zum August 2003 gezahlt wurden. Nach der Klage des Unternehmens urteilte schließlich das Oberlandesgericht Jena, dass dieser Betrag von der Stadt zurückzuzahlen sei. Die dagegen gerichtete Revision hat der BHG zurückgewiesen.

Die Stadt sei bei den Vertragsverhandlungen verpflichtet gewesen, die Käuferin ungefragt über alle Umstände aufzuklären, die im Zusammenhang mit den Erschließungskosten in absehbarer Zukunft relevant werden konnten, so der BGH. Indem die Beklagte die Käuferin nicht über die bevorstehende Gründung des Zweckverbandes und die Errichtung der zentralen Kläranlage unterrichtete, habe sie pflichtwidrig Informationen zurückgehalten, die erkennbar von zentraler Bedeutung für den Entschluss der Käuferin gewesen seien, den Vertrag abzuschließen und die Fabrik in der beklagten Gemeinde zu errichten. Das Unternehmen hätte den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, wenn die Stadt sie über die bevorstehenden kommunalen Veränderungen und Planungen informiert hätte. Vielmehr hätte sie die an die Stadt gezahlten Beträge von insgesamt circa 1,9 Mio. DM gespart, heißt es in dem Urteil.

Eine Gemeinde muss laut BGH in den Vertragsverhandlungen einen Investor über die – noch verwaltungsinternen – Absichten unterrichten, wenn diese oder die sich daraus ergebenden Folgen durch Beitragslasten für dessen Vertragsentschluss von wesentlicher Bedeutung sind. Sie müsse insbesondere unrichtige Erwartungen des Investors richtig stellen, die sie durch ihre Angaben erst geweckt habe. Die Stadt verfügte über einen Informationsvorsprung, nur sie hätte Kenntnis davon gehabt, dass auf die sich bei ihr ansiedelnden Investoren zusätzliche Beitragslasten infolge der künftigen Errichtung einer zentralen Kläranlage durch den in Gründung befindlichen Abwasserzweckverband zukommen würden, heißt es in dem Urteil. Die Stadt sei zu einem Hinweis auf diese Umstände verpflichtet gewesen.

Dass in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung Deutschlands mit derartigen Folgeerschließungen allgemein zu rechnen gewesen sei, stehe dem nicht entgegen.

(Quelle: DStGB Aktuell 4508)

Az: 906-03