Kita - Essengeld 2

Das Urteil des Verwaltungsgerichtes Potsdam vom 25. September 2014 zur Erhebung von Essengeld in Kindertageseinrichtungen hat großes Interesse ausgelöst und führt über den Mitgliedsbereich des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg hinaus auch zu Fragen von Eltern, Medien und freien Trägern. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg stellt daher nachfolgend die wesentlichen Informationen zur Sach- und Rechtslage in einem öffentlichen Informationsangebot zusammen.

Den Inhalt des Urteils des VG Potsdam vom 25. September 2014 hatte der Städte- und Gemeindebund Brandenburg mit Rundschreiben vom 4. März 2015 dargestellt sowie eine rechtliche Würdigung formuliert. Einzelheiten siehe hier.

In der Folgezeit bestimmten weitere Fragen die öffentliche Diskussion. Ist das Urteil des VG Potsdam vom 25. September 2014 rechtskräftig? Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Verwaltungspraxis der übrigen Städte, Gemeinden und Ämter im Land Brandenburg? Und welche Aussichten haben Rückerstattungsforderungen von Eltern bezüglich gezahlter Essengelder?

Antworten auf diese Fragen hat der Städte- und Gemeindebund Brandenburg mit einem weiteren Rundschreiben an seine Mitglieder vom 12. Januar 2016 formuliert. Allen Interessierten steht dieses Rundschreiben nebst Anlage hier zum Download bereit:

StGB-Rundschreiben vom 12. Januar 2016

Anlage zum StGB-Rundschreiben vom 12. Januar 2016

Kernaussagen des Rundschreibens sind:

1. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 30. November 2015 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Potsdam vom 25. September 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

2. Nach Einschätzung des Prozessvertreters der Stadt Prenzlau wird das Oberverwaltungsgericht voraussichtlich innerhalb des ersten Halbjahres 2016 über die Berufung entscheiden.

3. Aus gemeindlicher Sicht ist die Zulassungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichtes zu begrüßen, da sie den Zugang zu einer obergerichtlichen Klärung grundlegender Rechtsfragen und einer Korrektur der erstinstanzlichen Entscheidung eröffnet.

4. Für die Städte, Gemeinden und Ämter besteht mangels Rechtskraft des Urteils des VG Potsdam vom 25. September 2014 vorerst weiterhin kein Rechtsgrund, die jeweilige örtliche Verwaltungspraxis bezüglich der Essensversorgung in Kindertageseinrichtungen zu ändern. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu Caterern sowie die Festlegung der Höhe des Essengeldes gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KitaG. Die im Rundschreiben vom 4. März 2015 vertretene Rechtsauffassung hat Bestand.

5. Maßgeblich für die Verwaltungspraxis bezüglich der Höhe des Essengeldes ist vielmehr der rechtskräftige Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Oktober 2013 (6 N 94.12). Der Beschluss war im Jahre 2013 in der Verbandszeitschrift des StGB mit redaktionellen Leitsätzen veröffentlicht worden (mitteilungen StGB 11-12/2013, S. 431 f). Die Veröffentlichung steht hier zum Download bereit.

a) Das Oberverwaltungsgericht hatte darin den Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers für die Erhebung von Essengeld herausgestellt und festgehalten, dass dieser gerichtlich nur daraufhin überprüfbar sei, ob der Satzungsgeber einen zutreffenden Sachverhalt zu Grunde gelegt und keine sachfremden Erwägungen angestellt hat. Ein von Eltern vorgebrachter Klagevortrag zeige keine Verletzung des Gestaltungsspielraumes auf, sofern er sich auf Erwägungen für eine Ausgestaltung von Satzungsregelungen beschränkt, die der Kläger selbst für sachgerechter hält als die vom Satzungsgeber angestellten Erwägungen.

b) Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes schöpfe der Satzungsgeber seinen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Höhe des Essengeldes bei weitem nicht aus, wenn dieses nur die Hälfte der tatsächlichen Kosten betrage. In dem streitgegenständlichen Sachverhalt betrugen die tatsächlichen Kosten 2,67 € und das Essengeld des Klägers 1,50 €. Der Klagevortrag ließ nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes eine Auseinandersetzung mit dem zentralen Argument vermissen, dass das Essengeld für die Mittagessenversorgung folglich nicht kostendeckend ist.

c) Das Oberverwaltungsgericht erachtete die gemeindliche Satzung als rechtmäßig und hielt mit Blick auf die darin enthaltene sozialverträgliche Staffelung des Essengeldes fest, dass eine pauschale Festsetzung des Essengeldes nicht ausschließe, dass im Einzelfall die ersparten Eigenleistungen der Eltern geringer sein können als das erhobene Essengeld. Es entspreche den Grundsätzen einer sozialverträglichen Staffelung, dass Eltern mit höheren Einkommen einen prozentual höheren Anteil dieses Einkommens für die Betreuung ihrer Kinder aufwenden als Bezieher niedriger Einkommen.

d) In Würdigung des Beschlusses ist festzuhalten, dass die den Gemeinden entstehenden tatsächlichen Kosten der Essenversorgung wesentlicher Bezugspunkt des Oberverwaltungsgerichtes für die Überprüfung der in der Satzung festgelegten Höhe des Essengeldes waren.

e) Demgegenüber hatte das Oberverwaltungsgericht keinen Bezug zu § 90 Abs. 4 SGB VIII und/oder § 92a SGB XII hergestellt. Folglich findet die bisweilen vertretene Auffassung, der Begriff der durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KitaG sei dem Begriff der zumutbaren Belastung nach § 90 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. § 92a SGB XII gleichlaufend auszulegen, in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg keine Stütze. 

6. Für die Festlegung und Erhebung von Essengeld gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KitaG ist ausschließlich die Zuständigkeit der Gemeinden begründet. Die Landkreise einschließlich deren Jugendhilfeausschüsse verfügen nicht über entsprechende Regelungskompetenz. Angesichts der Rechtsnatur als gemeindliche Selbstverwaltungsaufgabe und die den örtlichen Verhältnissen entsprechende unterschiedliche Aufgabenerfüllung besteht zudem kein sachlicher Grund für kreisliches Verwaltungshandeln bezüglich der Erhebung von Essengeld.

7. Forderungen von Eltern auf Rückerstattung von Essengeld finden in der gegenwärtigen Rechtslage keine Grundlage. Mangels Rechtskraft des Urteils des VG Potsdam vom 25. September 2014 und der mit Rundschreiben vom 4. März 2015 dargelegten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils wären diese Anträge abzulehnen. Angesichts der in den nächsten Monaten zu erwartenden Berufungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichtes und der Tatsache, dass das Oberverwaltungsgericht seinem Zulassungsbeschluss ausschließlich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfragen zu Grunde gelegt hat, empfehlen wir den von Rückforderungen betroffenen Gemeinden, den Eltern eine Eingangsbestätigung zu übermitteln und eine Entscheidung über den Rückerstattungsantrag nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der Stadt Prenzlau anzukündigen.

8. Nach unserer Einschätzung wird das Oberverwaltungsgericht neben der grundsätzlichen Würdigung der Rechtsbeziehungen zwischen Caterer, Gemeinde und Eltern aller Voraussicht nach auch der Frage nachgehen, welche Rechtsfolgen sich aus der Tatsache ergeben, dass die Essenversorgung tatsächlich in Anspruch genommen worden ist. Wir gehen auch davon aus, dass sich das Oberverwaltungsgericht – erneut – zu den Maßstäben zur Höhe des Essengeldes äußern wird. 

9. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg wird nach Vorliegen der Berufungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg über das Ergebnis informieren und weitere Handlungsempfehlungen formulieren.