Landesrahmenvereinbarung nach dem Präventionsgesetz

14. März 2017,

Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) vom 15. Juli 2015 (BGBl. I S. 1368) ist lange erwartet worden. Danach sollen vornehmlich die Krankenkassen Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientieren Handelns der Versicherten erbringen.

Nach dem durch das Präventionsgesetz geänderten SGB V können die Krankenkassen Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention auch in Lebenswelten erbringen, wenn die Bereitschaft der für die Lebenswelt Verantwortlichen zur Umsetzung von Vorschlägen zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation sowie zur Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen und Fähigkeiten besteht. In einer Nationalen Präventionskonferenz (NPK) legen die Sozialversicherungsträger, die stimmberechtigt sind, unter Beteiligung von weiteren Akteuren, wie Bund, Ländern und Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit und der Sozialpartner gemeinsame Ziele fest und verständigen sich auf ein gemeinsames Vorgehen. Am 29. Februar 2016 hat die NPK „Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz nach § 20d Abs. 3 SGB V“ verabschiedet.

Zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie sollen nach § 20f SGB V auf Landesebene Landesrahmenvereinbarungen abgeschlossen werden, an deren Vorbereitung die kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene beteiligt werden sollen.
Derartige Landesrahmenvereinbarungen zur Umsetzung des Präventionsgesetzes sind in nahezu allen Bundesländern abgeschlossen worden, am 14. März 2017 wurde die Landesrahmenvereinbarung für Brandenburg durch die Gesundheitsministerin Frau Golze und die Vertreter verschiedener Krankenkassen und der Deutschen Rentenversicherung unterzeichnet.

http://www.masgf.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.500095.de
http://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/dokumente-praeventionsgesetz/

Zur Überraschung des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg ist ein Beitritt des Kommunalen Spitzenverbandes in der Landesrahmenvereinbarung Brandenburg nicht vorgesehen und seitens der Vertragspartner nicht beabsichtigt. Die Geschäftsstelle des Verbandes hatte im Dezember 2016 gegenüber der AOK Nordost Die Gesundheitskasse eine Stellungnahme zum Entwurf der Landesrahmenvereinbarung abgegeben und auf kritische Punkte bzw. Fragestellungen aufmerksam gemacht. Hierbei hat der Verband sich auf Grund der bisherigen Beschlusslage im Präsidium zur Frage eines Beitritts zur Landesrahmenvereinbarung grundsätzlich offen gezeigt. Umso erstaunter ist der Verband, dass die Landesrahmenvereinbarung nun ohne weitere Reaktion der AOK Nordost und ohne Änderung – bis auf eine Ergänzung – unterzeichnet wurde. Da die Landesrahmenvereinbarung von Anfang an so abgefasst war, dass ein kommunaler Spitzenverband ihr nicht beitreten konnte, dazu unten mehr, muss davon ausgegangen werden, dass die Beteiligung des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg durch die Unterzeichner nicht gewünscht war. Dies ist bedauerlich. 

Immerhin haben die Unterzeichner der Rahmenvereinbarung in der Präambel folgende Ergänzung vorgenommen:

„Um regionale Spezifika und Anliegen bei der Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten vor Ort zur Geltung zu bringen, sind kreisfreie Städte, Landkreise und Kommunen eingeladen, die Kooperation mit den Krankenkassen und mit den für die Lebenswelten Verantwortlichen zu suchen. Sie sind aus Sicht der Vertragspartner der LRV unverzichtbare Partner für wirksame und dauerhafte Erfolge bei den im Präventionsgesetz genannten Gesundheitszielen.“
Zwar beinhaltet diese Formulierung die Aussage der Vereinbarungspartner, dass Städte und Gemeinden selbst nicht als Lebenswelt gewertet werden, wie dies die Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz formulieren und allgemeines Verständnis sein dürfte. Andererseits mag diese Formulierung als „ausgestreckte Hand“ und als ein Zeichen in Richtung Städte, Gemeinden und Ämter verstanden werden, auf diese zuzugehen.
Es bleibt abzuwarten, ob sich in Brandenburg Städte und Gemeinden finden, die solche Kooperationsvereinbarungen eingehen wollen. Ein Beitritt von Städten, Gemeinden und Ämtern zu der LRV ist nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich. Eine bilaterale Kooperationsvereinbarung zwischen einer Kommune und einer Krankenkasse ist möglich und ausreichend.
 
Zum Hintergrund:

§ 20f SGB V sieht vor, dass die an Rahmenvereinbarungen auf Landesebene Beteiligten Festlegungen unter Berücksichtigung der bundeseinheitlichen, trägerübergreifenden Rahmenempfehlungen und der regionalen Erfordernisse treffen. Es können Regelungen über gemeinsam und einheitlich zu verfolgende Ziele und Handlungsfelder, die Koordinierung von Leistungen zwischen den Beteiligten, die einvernehmliche Klärung von Zuständigkeitsfragen, die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst und den Trägern der örtlichen öffentlichen Jugendhilfe und die Mitwirkung weiterer für die Gesundheitsförderung und Prävention relevanter Einrichtungen und Organisationen u.a. getroffen werden.

Da Städten und Gemeinden im Bereich der Gesundheitsprävention auf Grund ihrer Nähe zu den Menschen eine wichtige Funktion zukommt, hat sich das Präsidium des Städte- und Gemeindebund Brandenburg bereits in seiner Sitzung im April 2016 mit Fragen einer Landesrahmenvereinbarung befasst. Vor dem Hintergrund, dass Städte und Gemeinden oder auch deren Stadtteile oder Ortsteile eine Lebenswelt im Sinne des Präventionsgesetzes darstellen, hat das Präsidium Wert auf eine Einbindung des Städte- und Gemeindebundes bei der Ausgestaltung der Landesrahmenvereinbarung gelegt. In der Lebenswelt Kommune werden Zielgruppen erreicht, die nicht über eine der anderen genannten Lebenswelten – wie Schulen, Kindertagesstätten oder Pflegeheime ? erreicht werden können (z.B. allein lebende Ältere, Arbeitslose, Selbständige, Freiberufler, Hausfrauen/-männer, Erwerbsgeminderte).

Das Präsidium hat demensprechend in seiner Sitzung vom 7. April 2016 beschlossen:

Das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg betont die besondere Bedeutung der kommunalen Ebene für Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung. Ein auf örtliche Lebenswelten abzielender Ansatz bei der Gesundheitsförderung und Prävention wird für besonders sinnvoll und erfolgversprechend gehalten.

Das Präsidium bedauert, dass das Präventionsgesetz die Bedeutung der Kommunen und ihre demokratische Verbundenheit nicht gezielt hervorgehoben hat. Bei der anstehenden weiteren Umsetzung des Präventionsgesetzes im Land Brandenburg muss daher verstärkt darauf geachtet werden, dass vor allem die kommunale Ebene gestärkt wird.

Das Präsidium fordert die partnerschaftliche Beteiligung und Einbeziehung des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg durch das Gesundheitsministerium und die Krankenkassenverbände.

Zur Bewertung der Landesrahmenvereinbarung:

Die Landesrahmenvereinbarung orientiert sich an den Bundesrahmenempfehlungen der nationalen Präventionskonferenz nach § 20d Abs. 3 SGB V, an der die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene mit beratender Stimme teilgenommen haben, sowie an den im Land Brandenburg formulierten Gesundheitszielen und den Zielen der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie. Sie verfolgt das Ziel, die nationale Präventionsstrategie im Land Brandenburg umzusetzen. Die Landesrahmenvereinbarung ist schlank gestaltet und überlässt die wesentlichen Ausführungen einer Brandenburger Konferenz für Prävention und Gesundheitsförderung sowie den in Brandenburg vorhandenen Gesundheitszieleprozessen.

Sowohl in der Präambel als auch in den §§ 1 und 2 der Landesrahmenvereinbarung wird als Voraussetzung für einen Beitritt zur Landesrahmenvereinbarung Bezug genommen auf den jeweiligen gesetzlichen Auftrag des Beitretenden. Dies bedeutet, dass der Städte- und Gemeindebund Brandenburg als kommunaler Spitzenverband nicht beitreten kann. Bei dem Verband handelt es sich weder um eine Kommunalverwaltung, noch trägt er für Gesundheitsförderung und Prävention eine gesetzliche Verantwortung.

Nach dem Wortlaut der Präambel – ohne die nun vorgenommene Ergänzung ? können aus dem Mitgliedsbereich allein die kreisfreien Städte beitreten, denn nur diese tragen aufgrund des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Land Brandenburg vom 23. April 2008 Verantwortung für die Wahrnehmung von Gesundheitsförderung. § 1 Satz 1 Ziff. 8 der Landesrahmenvereinbarung spricht von einem gesetzlichen Auftrag. Sollte der Landtag Brandenburg seine Absichten zur Verwaltungsstrukturreform in Brandenburg weiter verfolgen und drei derzeit kreisfreie Städte einkreisen mit der Folge, dass diese für den öffentlichen Gesundheitsdienst nicht mehr zuständig sind, dürfte aus der Mitgliedschaft des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg zukünftig allein die Landeshauptstadt Potsdam einen gesetzlichen Auftrag für Gesundheitsförderung innehaben.

§ 2 Abs. 3 und § 3 Abs. 5 LRV sieht vor, dass Beitretende Mitglied in den Bündnissen Bündnis gesund aufwachsen, Bündnis Gesund älter werden, sein müssen. Geplante Maßnahmen oder Beschlüsse der Bündnisse sind durch die Partner der LRV oder Beitretende umzusetzen. Einer solchen Bindung konnte der Städte- und Gemeindebund nicht zustimmen, denn es ist ungewiss, ob die Ziele der Gesundheitsförderung, die die Bündnisse, die aus einer Vielzahl zum Teil von Privatpersonen bestehen, mit denen der Mitglieder des StGB übereinstimmen bzw. übereinstimmen werden.Der in § 2 Abs. 3 LRV zum Ausdruck kommende Wunsch, dass die der Rahmenvereinbarung Beitretenden und die Vertragspartner gleichzeitig Mitglied in den verschiedenen Bündnissen und Arbeitskreisen der Gesundheitszieleprozesse des Landes Brandenburg sind, mag verständlich sein. Damit wird aktiv eine Verantwortung für die Gesundheitszieleprozesse übernommen. Andererseits ist aus der kommunalen Sicht nicht zu verkennen, dass ein Beitritt des Verbandes oder auch von Städten und Gemeinden den in den Gesundheitszieleprozessen und in der Landesrahmenvereinbarung liegenden überörtlichen Fokus stützen würden. Ein solcher überörtlicher Ansatz liegt jedoch nicht im Interesse der kommunalen Ebene. Vielmehr sieht das Präventionsgesetz Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten vor, weshalb sich der Städte- und Gemeindebund Brandenburg bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Präventionsgesetz für eine herausgehobenere Stellung der Städte und Gemeinden ausgesprochen hat.

In kreisfreien Städten gibt es kommunale Konzepte für eine Gesundheitsförderung und für Prävention. Vielfach gibt es auch in kreisangehörigen Städten und Gemeinden Maßnahmen und Projekte im Bereich der Gesundheitsförderung. In weiten Bereichen sind ehrenamtlich Tätige eingebunden und unterstützend tätig. Mit Blick auf diese kommunalen Strukturen und Ansätze und mit Blick auf die kommunalpolitischen Entscheidungen im Bereich Gesundheit fragt es sich, welchen Mehrwert die einzelne Kommune aus einer Mitwirkung an Gesundheitszieleprozessen auf Landesebene gewinnen könnte. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg könnte in den Bündnissen keine Erklärungen zu Lasten der Mitglieder abgeben.

Nach § 5 der Landesrahmenvereinbarung werden einzelne Maßnahmen und Projekte, auf welche sich Krankenkassen und Ersatzkassen, Träger der gesetzlichen Rentenversicherung oder der gesetzlichen Unfallversicherung mit für die Lebenswelt Verantwortlichen verständigen, in Kooperationsvereinbarungen geregelt. Diese Kooperationsvereinbarungen werden für die Umsetzung des Präventionsgesetzes essentiell sein. Für brandenburgische Städte und Gemeinden wird in etwaigen Kooperationsvereinbarungen der Schwerpunkt liegen. Insofern kann befürwortet werden, wenn bilaterale oder multilaterale Kooperationsvereinbarungen zwischen Städten und Gemeinden und Partnern der Landesrahmenvereinbarung abgeschlossen werden können, ohne dass der Beitritt der einzelnen Kommune zu der Landesrahmenvereinbarung hierfür Voraussetzung ist.

Derartige Kooperationsvereinbarungen ermöglichen es der einzelnen Kommune, zunächst vor Ort zu sondieren, welche Angebote und Maßnahmen es bereits gibt, welcher personelle und finanzielle Aufwand mit der jeweiligen neuen Maßnahme verbunden sein könnte, ob sich diese in das Vorhandene einfügt und ob die Kooperationsvereinbarung den kommunalen gesundheitspolitischen Zielen dient. Erst auf Grund einer fundierten Basis können Städte und Gemeinden sich für Maßnahmen im Sinne des Präventionsgesetzes in den von ihnen verantworteten Lebenswelten und für Kooperationsvereinbarungen entscheiden.

Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin